Nach der Frankfurter Paulskirchenorgel und der Kathedralorgel in Ulm sollte unbedingt die Konzertsaalorgel Eberhard Friedrich Walckers in Boston0200.pdf als eine zu Ende gedachte Konsequenz herangezogen werden, wenn man über Deutschen Romantischen Orgelbau spricht.
Dabei ist es völlig unerheblich, dass die Orgel, wie sie heute in Methuen steht nur noch zu ca. 25% Pfeifenwerk von EFW hat und von der technischen Anlage der mechanischen Kegelladen mit „Pneumatique“ dürfte absolut nichts mehr da sein.
In meinem Archiv befindet sich noch ein Stück der Zeichnung, und ich habe vor einiger Zeit einmal das Opusbuch sehr subjektiv untersucht und dabei interessante Entdeckungen gemacht.
Noch nachträglich eingefügt das wichtige Werbeblatt von Walcker mit der Dispo und allen Koppeln etc. in sehr hoher Auflösung:
Außerdem möchte ich ein hochauflösenden Bild der Orgel zeigen, eine Grafik die aber in jedem Falle nicht ganz korrekt die Größenverhältnisse widergibt:
Anmerkungen zum Opusbuch
Das Opusbuch wurde 1853 geschrieben, wie auch Asperg, der Vorgänger dieses Blogs, das heisst also Walcker hatte zu dieser Zeit bereits über 10 Jahre Lieferzeit.
1. Es beginnt hier das Buch mit dem Grand Bourdon 32′, wie es sich für eine Orgel mit 75 Register gehört. Wenige Jahre nach dieser Niederschrift (1856) erhält EFW vom Bayrischen König anlässlich seiner bei der Ausstellung in München gezeigten 32′ Pfeifen, die man am Kern mit Schraubstellungen verändernd konnte, eine goldene Medaille.
2. Zu den Materialangaben der Pfeifen sei vermerkt, dass bereits 1852 Walcker Zink verwendete und zwar bei Trompetenbecher. Hier in Boston natürlich wurde nur erlesenes Material verwendet, wir kommen später darauf zurück. Hier nun die Flauta 8′ in Holz mit doppelten Labien und die Viola di Gamba in reinem Zinn. Was auch hier zeigt, wie wichtig der glasklare Klang dieser Stimme Eberhard Friedrich Walcker war.
3. Die Ophycleiide mit zwei Registerzügen (Bass-Diskant) und einschlagend (durchschlagende Zunge). Auch die Trompete ist in Bass und Diskant getrennt, ich glaube das war auch in Ulm, und die höheren Becher wurden aus Messing gefertigt. Hierzu habe ich eine Zeichnung von Ulm, wo die aufgeworfenen Becher sehr schön aufgezeichnet sind, was bei einem späteren Blog einmal gezeigt wird.
4. An Principal, Salicional und Dolce werden die drei wichtigen Zinnlegierungen bezeichnet: rein, Probezinn (75%), Metall (Naturguß ca 48-52%) Wir können hieraus schließen, wie der Klang gewünscht war – silbern- hell – rein, eine Idee weicher, flötiger, etwas obertonärmer.
5. Die Physharmonika – wie schon bei Bossert erläutert – ist bei Eberhard Friedrich Walcker ein ganz wichtiges Schlüsselregister, das der Meister nie versäumt hat genau zu beschreiben, welche Funktion dieses Register hat. Auch hier eine genaue Erläuterung.
Durch Windverminderung oder Vermehrung, an welches sich ein Forte anschliesst, das sich vom leisesten Hauch bis zur vollen Kraft…
6. Im Pedal steht neben dem Principal 32′ eine Bombarde 32′ einschlagend – auch dieses Mensurenblatt habe ich in meinem Archiv und möchte es gelegentlich auf unserem AeolineBlog vorstellen. Wichtig natürlich sind die späteren Obertöne im Pedal nur sinnvoll, wenn ein richtiger 32′ vorhanden ist.
7. Hier die Obertöne des Pedals 10 2/3, 6 2/5 und 5 1/3 – die sich auf den 32′ beziehen – und Bemerkung am Rande – der offene Subbaß 16′ der bei Eberhard Friedrich Walcker öfters vorkommt.
8. Das zweite Pedal ( sicher war von EFW an eine zweipedalige Orgel gedacht) mit einer einschlagenden Zunge, dem Fagott 16′
9. Rekapitulation – an den Kostenzusammenstellung der Pfeifen der einzelnen Manuale – es handelt sich hierbei tatsächlich auch um eine eigene Dynamik – erkennt man wo die Schwerpunkte waren I.Manual und Pedal, II, III. Manual
10. Hier in diesem einen der letzten Absätze der Opusbuch-Niederschrift geht EFW wie öfters auf sein Windladensystem ein, das er hier vorschlägt. Das hört sich dann folgendermaßen an.. „bei welchem alle diese Mängel behoben sind, die schon seit Jahrhunderten bei den besten marken beklagt werden. Interessant auch in diesem Abschnitt der Hinweis unter 5. und 6., dass Compensationsbälge, Cylinderblasbälge vorgeschlagen sind, und der Hinweis auf die „Pneumatique“, woraus man schon aus dem Begriff deren französische Herkunft (Barkerhebel Cavaillés) schliessen kann.
An dieser Orgel haben Eberhard Friedrich und seine Söhne umfangreiche Versuche mit der elektrischen Traktur getestet. Hiervon rührte wahrscheinlich der spätere Streit mit den Brüdern, der zum Abgang von Paul Walcker führte, dessen Weg dann nach Frankfurt/Oder zu Sauer geführt hat. Die Erfahrungen jedenfalls an der Bostoner Orgel im Werk in Ludwigsburg waren niederschmetternd, so dass keine Elektrik in die Orgel Eingang fand. Auf einer späteren Weltausstellung (ich glaube es war 1880) hat Weigle eine rein elektrische Orgel vorgestellt, deren Kontakte in kürzester Zeit von Funken zerfressen waren und die Batterien nicht lang hielten – mit Sicherheit vergleichbare Probleme, wie sie Walcker, der ja mit Weigle verwandschaftlich verbunden und befreundet war, bei seinen Versuchen hatte.
Am Ende noch der Anfang des Opusbuches
und ein schöner Choral Mendelssohns, den Felix Hell auf der nur noch angedachten Walcker-Orgel in Methuen gespielt hat. Die transparenten Principale, das wäre im Sinne EFW’s gewesen, aber nicht mehr sehr viel von den anderen Stimmen die heute mehr das französische als deutsche Ideal repräsentieren.
(gwm) 2.Dez.2007