Eberhard Friedrich Walckers Stellungnahme gegen Pneumatik & pro Barker

Von dieser Stellungnahme aus dem Jahre 1868 haben wir hier ein Abschrift, aus der man die Schlussfolgerung des Meisters nachvollziehen kann. Es spricht sich ausdrücklich für den Barkerhebel aus und gegen die von dem Briefpartner bevorzugten und angebotenen pneumatischen Registertraktur. Außerdem erfahren durch die Feder Eberhard Friedrich Walckers, dass er selbst bereits schlechte Erfahrungen mit elektrischer Traktur gesammelt hat. (bei Versuchen an der Orgel für Boston).

Hier also Eberhard Friedrich Walcker:

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und Seite 2

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Gutachten von Eberhard Friedrich Walcker über die Orgel in der Frankfurter Nikolaikirche aus dem Jahre 1856 Frankfurt a. M.

Von den Alten lernen. In diesem Gutachen, oder besser gesagt: Kostenanschlag des Altmeisters Eberhard Friedrich, erkennt man sofort den absoluten Profi, der weiß, worauf es ankommt. Sowohl in allen technischen Belagen, wie in allen anderen Dingen, die prioritätsmässig in der Intonation beheimatet sind. Hier also sein recht umfangreicher Text zu dieser Orgel:

Im Auftrage des hochlöblichen evangelisch-lutherischen Kirchenvorstandes hat der gehorsamst Unterzeichnete sowohl den Bestand und die Beschaffenheit der Orgel in der St. Nikolaikirche dahier untersucht als auch die Kosten ihrer Herstellung berechnet, und erlaubt sich in Nachstehendem eine genaue Beschreibung und einen detaillirten Kostenvoranschlag zu überreichen:
Lit. A
1. Ist das Werk in seinen inneren Theilen sehr verstaubt und muß deßhalb ausgehoben, zerlegt und nach allen Details gereinigt werden, pro Reg. 1 fl, 12 xr. 19 fl. 12 xr.
2. Principal 8’ im Prospect, ist schon von Geburt aus allzu dünn ausgearbeitet worden und hat deßhalb meist unsicher und schwankend intonirt, weßhalb einer meine Vor-gänger, ein sonst mit gutem Erfolg angewandtes Mittel benüzte und die Cylender mit einer Polusfarbe ausgestrichen und verstärkt hat. In Folge eines aus Unkenntnis hiezu benüzten, für das Metall total verderblich Bindungsmittels, sind aber die Pfeifenkörper anstatt besser, vollends ganz unbrauchbar geworden: indem die Leimfarbe immer mehr nachtrocknet, die Cylinder zusammenzieht und runzlicht macht. Dieses aus 54 Pfeifen bestehende Register, von feinem engl. Zinn angefertigt und mit theilweise aufgesezten Lab(ien) versehen kostet bey den gegenwärtig sehr hohen Zinnpreisen 280 fl. hievon geht ab das alte Material, aufs Nachgewicht mit etwa 70 Ib. á 30 xr. circa 35 fl. 245 fl.
3. Octav4′: hier haben die 18 größten Pfeifen denselben Fehler wie Nr.2 und es müssen auch diese neu gemacht, mit den Übrigen um 1/2 Ton vorgerükt und mit Stimschlitzen versehen werden; kostet über Abzug des alten Materials 50 fl.
4. Bourdon 16′: ein den übrigen Stimmen im Baß an Starke und Scharfe überlegenes Register muß in seinen Dekeln mit frischem Leder gefüttert und verhältnismäftig zärter intonirt werden. 10 fl.
5. Viola di Gamba 8′: sonst eme der schönsten Stimmen ist hier durch verschiedene Pfuschereien so verunstaltet und in der Intonation so unzuverläßig geworden daß eine gründliche Reparatur, theilweise Renovation damit vorgenommen werden muß Z.B. sind die 7 werthvollsten Pfeifen C, Cs, D, Ds, E, F und Fs schon m früherer Zeit heraus-genommen und durch hölzerne ersezt worden. Diese leztern imittiren aber nicht allein keinen Gambenton, sondern versperren auch durch ihr bey weitem größeres Volumen den Nachbarpfeifen den auf der Windlade ursprünglich gegebenen Raum, daß auch jene Schaden leiden. Es müssen daher die oben bezeichnete 7 Pfeifen nebst einem Vertiefungston wieder mit neuen zinnernen ersezt und um den alteren eine prazisere Ansprache zu geben, mit Unterbärten und Stimmschlitzen versehen wer¬den. 66 fl.
43 Archiv der Firma E. I. Walcker GmbH & Co. Orgelbau, Opus-Buch V, S. 52 ff. und 78 ff.

6. Traversfloete 8′: ist jedoch eine ganz gewöhnliche Floete und hat die 18 tiefsten Töne mit dem Gedekt 8′ auf eine sehr fehlerhafte Weise gemein, was die fatale Folge hat: daß, wenn beide Register zu gleicher Zeit gebraucht werden, sich die gemeinschaftlichen Töne durch den doppelten Wind überschlagen und entsezlich verstimmen. Die Abänderung in der Windlade wird in einem spätern § behandelt werden, dagegen die Reparatur des Pfeifenwerks, einen hiefür nöthigen Vertiefungston und kleine Unterbärte behufs einer präzisern Intonation, berechne hiermit 7 fl.
7. Gedekt 8′: ist wie schon erwähnt mit Nr.6 verbunden, und es muß schon in dieser Hinsicht eine doppelte Aufmerksamkeit auf die gute Herstellung dieses Registers ver-wendet werden. Die Vorschläge, welche häufig leimlos werden, müssen mit Holz-schrauben aufgeschraubt, in ihren Dekeln frisch gefüttert, und die Pfeifen der untern Oktav auf 1′ hohe Stifel gestellt werden, damit das dahinter befindliche Gamben-register eine freiere Wirkung hat. 12 fl.
8. Trompete8′: muß durchaus neue längere Stifel, Nüsse, Zungen und Krüken erhalten; die Schallröhren müssen mit ausgetriebenen Bechern, cylindrischen Untersätzen ver-sehen und in der 3. Octave, welche einen allzu schwachen Ton hat, müssen verlängerte Schalltrichter aufgesezt werden 120 fl.
9. kl. Gedekt 4′: von Holz, zu repariren 5 fl.
10. Waldfloete 2′: von Zinn, ebenfalls gut herzustellen 4 fl.
11. Quint 2 2/3′: von Zinn, stekt zwischen 2 achtfüssigen Registern, dass eine von der Stimmung oder Intonation abweichende Pfeife unter keinen Umstánden corregirt oder umgestimmt werden kann. Die größte Octave dieses Registers muß auf 5′ hohe Stifel gesezt und an ein besonderes Raster mit Haften befestigt werden. 8 fl.
12. Mixtur4fach 2′: bedarf einer Complettirung, die theilweise durch die ausfallende Sesquialterapfeifen gebildet und durch Hinzufügung einer Terze erreicht werden kann. 25 fl.
13. Ist in dem ganzen Werk kein einziges sanftes Register, defwegen soll auf die Stelle der kreischenden Sesquiáltera ein sanftes Dolce 8′ gesetzt und diesem Zwek neu ange-fertigt werden. Die untere Octave von Holz, die Fortsezung von Zinn 54 Pf. kost. 80 fl.
Pedal
14. Posaunenbaß 16′: spricht in den meisten tiefen Tönen nur mittels einer Windablei-tung, was aber einen ungleichen, leeren und schlechten Ton verursacht. Es müssen daher anstatt dieser Schleichweege sämtliche Stifel verlängert und in das richtige Tonverháltnis gesezt, neue Krüken und z.Th. auch neue Zungen gemacht und einge-pafk werden. 50 fl.
15. Subbaß 16′: muß nicht allein in seinen Dekeln frisch gefüttert und wieder gut luft-dicht gemacht, sondern auch behufs der Nachstimmung durchaus mit Handgriffen an den Dekeln und mit Holzschrauben an den Vorschlägen versehen werden. 16 fl.
16. Violonbaß 8′: (eigentlich Violoncell) sein eigenthümlicher Charakter muß ihm aber erst durch Verengerung der Labien, durch kleine Aufsäze auf den Kern (?) und aufschrauben neuer Vorschlage gegeben werden. 20 fl.

17. Principalbaß 8′:
ist nur von Holz, muß ebenfalls besser intonirt und mit aufgeschraubten Vorschlágen
versehen werden. 8 fl.
Lit. B Uebrige Sachen
1. Genaue Correction der Windladen überhaupt, einen neuen Pfeifenstok für das vor-geschlagene Register Dolce 8′, namentlich aber die Combination der beiden Register Floete und Gedekt auf eine kunstgerechtere Weise in der Parralelen einzurichten und die übergebohrten Canzellen zu verstopfen, damit bei gleichzeitigem Gebrauch der beiden Register die Stimmung rein und die Intonation unverandert bleibt. 40 fl.
2. Im Regierwerk sind die großentheils verrosteten Wellenaxen entweder in ihren hölzernen Wellenrahmen eingequollen, daß sie sich spannen und das Tractament dem Spieler erschweren, oder haben sie zu vicien Spielraum, daß sie rappeln. Diesen beiden Uebelständen abzuhelfen, müssen alle diese Löcher mit elastischem Zeug ausgebüxt und statt der rauen verrosteten Axen neue polirte eingesezt; auch manche schadhafte Aufhängschlaufen durch neue ersezt werden. 24 fl.
3. Müssen beide Claviere für Manual und Pedal frisch gefüttert und wieder egalisirt werden. 8 fl.
4. Sind sowohl Kanalschnauzen Büchsenkanäle als auch der Hauptkanal beinahe um die Hálfte zu eng, es müssen daher sowohl die 3 Büchsenkanále mit ihren Sperr-ventilen, als auch der Hauptkanal bis in die Náhe der Windlade circa 40 currentfuss lang, neu und in proportionirtem Caliber angefertigt und dem Werk angepaßt werden á 1 fl. 12 xr. 48 fl.
5. Die 3 Blasbälge, welche zwar noch eine ziemlich neue Belederung haben, aber doch für das volle Werk etwas klein sind, müssen, um den Wind etwas sparsamer zusammenzuhalten, durch einen Laküberzug recht luftdicht gemacht und an den schadhaften Stellen ausgebessert, auch samtliche Kanäle mit diesem luftdichten Ueberzug versehen werden. 18 fl.
6. Das ganze Werk endlich wieder einzusezen und zu stimmen, sowie das neu zu fertigende Register zu befestigen. 60 fl.
7. An den vielen Fialen des Gehäuses sind beinahe sämtliche Krappen, welche neu von Gips gefertigt und angeleimt waren, herunter und hie und da in die Pfeifen hinein-gefallen. Um nun auch dem Äussern seine ursprüngliche gothische Verzierung wie-derzugeben, so sind etwa 200 Stück solcher Krappen nöthig, die jedoch nicht mehr von Gips, sondern auf eine solide Weise von Eichenholz ausgeführt sein sollten á 9 xr., zusammen 30 fl.
Hiebey bedingt sich der Unterzeichnete, wáhrend der Dauer des Geschäfts eine Hülfe-leistende Person zum Treten der Blasbälge und freien Transpon der neuen Orgeltheile von Ludwigsburg hieher und der leeren Kásten wieder zurük, was jedoch die Kosten von 60 bis 70 fl. nicht überschreiten dürfte.
Ludwigsburg, l6.April 1856

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Die EFWalcker-Orgel Opus 253 (255 oder254) Bj 1869/70, Großengstingen, II/15

Die nahezu vollständig erhaltene Eberhard Friedrich Walcker-Orgel ist in Opus-Buch 7 dokumentiert und wurde kürzlich von Daniel Tomaselli besucht, mit hervorragenden Fotos dokumentiert und einer Klangprobe unterzogen. Alles das besagt, dass das Instrument in sehr gutem Zustand ist und damit als eine der letzten Orgeln Eberhard Friedrich Walcker’s gelten kann, die erhalten ist. Wahrscheinlich ist die Trompete i.L. der Zeit ersetzt worden.
ansicht1.jpg
Die unterschiedliche Angaben der Opusnummern beruht auf verschiedenen Zählmethoden. Am Spieltisch steht 253, Fischer-Wohnhaas haben 255 und Walcker in der Datenbank zählt 254.

Die nachfolgenden Aufzeichnungen incl. Fotos stammen von Daniel Tomaselli:
Sehr geehrter Herr Walcker-Mayer,
letztes Jahr haben Sie auf Ihrem „aeoline-blog“ einen Beitrag zu den Mixturen ab 1864 veröffentlicht. Hier ist unter anderem die Mixtur der Orgel zu Großengst(r)ingen (1869 – op. 254 – I15) angegeben. Im Sommer 2009 habe ich diese Orgel besichtigt.
Insoweit es nicht zwei Ortschaften mit ähnlichem Namen gibt (Großengstringen – Großengstingen) scheint diese Orgel incl. Mixtur (bis auf die Gebläseanlage) erhalten zu sein. Das Firmenschild (ich hoffe es liegt kein Abschreibfehler von mir vor) gibt als Baujahr 1870 und als Opusnummer 253 an. Es handelt sich um ein zweimanualiges Instrument mit 15 Registern. Für meine Begriffe hat es einen schönen Klang. Das Tutti ist nicht übermäßig laut und wirkte natürlich aufgrund der Mixturzusammensetzung eher zungenartig. Neben den dynamischen Abstufungen in der Klangstärke sind auch schöne und deutlich unterscheidbare Farbmischungen durch Kombination unterschiedlicher enger und weiter 8´ und 4´ Stimmen möglich (z.B. Viola di Gamba 8´ + Gedeckt 8´, Gedeckt 8´ + Traversflöte 4´ oder Lieblich Gedeckt 8´ + Fugara 4´). Leider ist der farbliche Unterschied zwischen den ähnlichen Stimmen I Gedeckt 8´ und II Lieblich Gedeckt 8´ nicht so deutlich (z.B. I Flöte 8´ gegen II Gedeckt 8´ liege mir etwas besser). Neben dem solistischen Einsatz von z.B. VdG 8´ oder Tf 4´ könnte bei Bedarf auch die Mixtur in Verbindung mit einem 8´ und 4´ als kornettartige Solomischung mit ordentlicher Wirkung „zweckentfremdet“ werden. Vom technischen Standpunkt empfand das Instrument als angenehm zu spielen (auch wenn die Mechanik besonders des II Manuals dringlichste nachreguliert werden sollte). Die geschilderten klanglichen und technischen Eigenschaften sind natürlich meine persönliche Meinung. DT

DISPOSITION 
I Manual C-f3
01 Principal 8´
02 Gamba 8´
03 Gedeckt 8´
04 Octav 4´
05 Traversflöte 4´
06 Mixtur 4f.   2 2/3´
07 Trompete 8´
 
II Manual C-f3
08 Flötenprincipal 8´
09 Lieblich Gedeckt 8´
10 Salicional 8´
11 Aeoline 8´
12 Fugara 4´
 
Pedal C-d1
13 Violonbass 16´
14 Subbass 16´
15 Octavbass 8´
 
Koppeln : II-I als Zug, I-P als Tritt (Rechts; wirkt bei II-I auch auf II)
Registerhilfen : Tuttitritt (Links)
Windladensystem : Kegellade
Tontraktur : mechanisch
Spieltraktur : mechanisch
 
Quelle : Besichtigung am 10.07.2009
 
Anordnung der Registerzüge im Spieltisch
07 02 03 01 II Manual 08 09 10 11
06 05 04 II-I I Manual 13 14 15 12
Tutti I-P
Pedal
 

Bilder Windladen, Mechanik:

pedallade.jpg wellenbrett.jpg manual_i_trompete.jpg

Bilder Spieltisch, Registerzuege, das letzte Bild zeigt die Gambe 8′ vom I.Man Oberlade, die Trompete steht auf der unteren Lade:

register01.jpg register02.jpg spieltisch_hinten_detail.jpg spieltisch3.jpg gambe_i_oben.jpg

gwm

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Die EFWalcker-Orgel Opus 226 (230) Bj 1867 Lausanne, St. Francois, III/33

Diese interessante Walcker-Orgel wurde in der Zwischenzeit 7-8 mal erweitert und umgebaut. Stellt also weniger ein praktisches Beispiel für Eberhard Friedrich Walckers Bauweise dar, als vielmehr einen schönen historischen Kommentar zur Orgelentwicklung.
Schon alleine deswegen, weil bereits nach 12 Jahren im Jahre 1880 von den Söhnen Eberhard Friedrichs zusätzliche Arbeiten gemacht wurden, fällt das Instrument sofort auf: es ist auf dem III.Manual, wo der bescheidene Eberhard Friedrich lediglich seine Physharmonika für notwendig befand, hat man recht bald ein „ordentliches“ Werk auf dem III.Manual mit 14 Register aufgesetzt. Schon drei Jahre später hat Goll weitere Arbeiten daran verrichtet, um dann Kuhn 1914 ranzulassen, der zunächst auf 51 Register, 1936 auf III/56 Register, 1949 weitere Aufhellungen und wieder III/56, 1955 auf IV/70, um dann 1995 V/75 hochgereizt hat, was wohl den derzeitigen Stand darstellt.
Es wäre vermessen zu sagen, irgendeine Zeit habe recht gehabt mit ihrer Dispositionierweise. Aber unter Monumentalorgel hat eben Eberhard Friedrich Walcker etwas völlig anderes verstanden, als es die heutige Disposition von Kuhn darstellt. Und wir können als Orgelbauer und Organist sehr schön die Charakteristiken der Zeit an den Dispositionen ablesen, so, wie der Arzt auf dem Fieberthermometer die Intensität der Krankheit ablesen und so den möglichen Exitus leicht voraussagen kann.

Hier zunächst einmal ein Bild der Orgel, deren Gehäuse aus 1777 von einem Samson Scherrer aus Toggenburg stammen soll. Jener Scherrer war offensichtlich noch bescheidener als Eberhard Friedrich Walcker und baute nur ein 22/II Werkelchen ein. Die Orgelgestalt nennt man „Louis XVI“. Die Brüstung vor dem Rückpositiv war früher (z.Zt Aufbau Walckers) nicht.
ansicht.jpg

Die von Eberhard Friedrich Walcker 1867 gebaute Orgel mit typischer Disposition, hat je nach Zählweise (Fischer oder Walckerliste) entweder Opus 226 oder 230 und war immer schon 3manualig (hier sind div. Fehler in Moosmann- und Walcker-Unterlagen).
Ihre Disposition ist:
0226_dispo.jpg

Die Söhne haben das Werk nur 12 Jahre später erheblich aufgerüstet:
0384_dispo2.jpg

Da in der bestehenden Kuhn-Orgel immer noch Walckerregister vorhanden sind ist diese Orgel also für unsere Betrachtungen nicht nur rein platonisch und historisch interessant, sondern gäbe auch zu einer praktischen Klanganalyse einiges her.

Auch von jenem Scherrer sind noch Pfeifenreihen vorhanden. Im Einzelnen handelt es sich hier um:
Prestant 4′, I.Man.; Montre 8′ II.Man.; Prestant 4′ II.Man.; Quinte 2 2/3′ II.Man.; (vereinzelte Pfeifen von Kuhn ersetzt)

Von den Walckerpfeifen haben wir hier sogar einige Mensuren, die angegeben werden können:
Reihenfolge C, c, c1, c2, c3
Bourdon 16′ (jetzt im Recit IV) 155×118, 102×76, 62×47, 43, 27, 17,3
Cor de nuit 8′ (IV) 101×78, 70×49, 44×31, 27×44. 17×28, 10,6×16,8 lab 5,0
Prestant 4′ (IV) 92, 57, 37, 23, 14, 9,7 lab.4,0
Flute harmonique 4′ (IV) Walcker 2.Bauabschnitt 69×57, 42×34, 42, 25, 15, 9.2, 5, lab 5,0
Fourniture 2′ 51,31,20,14.5,9.4,6.5,4.0
Fourniture 1 1/3′ 39,22.5,14.5,9.5,7.2, lab 4,0
Flute Majeure 8′ (V) 132×95, 79×56, 56×43, 56, 36, 20

Flute 16′ (P) 280×217, 163×127, 93×79, g1=75×54
Soubasse 16′ (P) 380×314, 207×170, 123×103

WS I=75mm
II=85mm
III=80mm
IV=90mm
V=85mm
P=100mm für 32′ und 16′
P= 90mm für 8′

… und hier noch zwei schöne Ergänzungen. Einen Kalendereintrag von Eberhard Friedrich Walcker in seinem Notizkalender von 1866. „Bei Schiedmeyer bestellt: die durchschlagenden Zungen, wie Physharmonika u.a.“
efw1866.jpg

… und die Visitenkarte des Meisters aus diesem Kalender
visitenkarte_efw.jpg

gwm

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Die Eberhard Friedrich Walcker-Orgel Stuttgart-Stiftskirche, Bj 1834-45

Die Eberhard Friedrich Walcker-Orgel Opus 35 (28) Stuttgart Stiftskirche Bj 1834-1845 III/70, mit mechanischen Kegelladen und dem überaus interessanten Umstand, dass bei diesem Orgelaufbau, Eberhard Friedrichs Neffe Karl Weigle als Montageleiter in Stuttgart eingesetzt war, der danach seine eigene Werkstatt gründete. Bereits im Jahre 1827 war die Werkstätte Eberhard Friedrich Walckers mit der ersten Ausreinigung dieser Orgel beschäftigt. Dabei waren eingesetzt sein Sohn Fritz Walcker, sein Schwager Laukhuff und mehrere Gesellen. Wir sehen also, das diese Orgel für den Deutschen Orgelbau des 18. und 19. JH von eminenter Bedeutung war.
Die Orgel selbst stammt wahrscheinlich ursprünglich aus der Werkstatt Gabler (Hermann Meyer –Karl Joseph Riepp, Seite 230) während andere Schreiber Josef Martin aus Hayingen nennen (Schüler von Gabler?) . Als Erbauungszeit nennt man von 1731 bis 1777 verschiedenste Zahlen. (Gabler 1700-1771) konnte also bei diesen unterschiedlich genannten Jahreszahlen weder Meister von Martin noch Erbauer selbst sein. Es liegt hier also Einiges im Unklaren.
Diese von Gabler oder von Nachfolger gebaute Orgel soll nach Stuttgarter Archiv mit einem Rokkoko-Gehäuse ausgestattet gewesen sein und als Vorbild die Weingartener Gabler-Orgel gehabt haben und war ursprünglich in die Reichsabtei in Zwiefalten eingebaut. Mit Urkunde vom 7.11.1807 schenkte der König Friedrich von Württemberg das prächtige Werk samt Gehäuse der Stiftskirche zu Stuttgart. Ab 1823 übernahm Eberhard Friedrich Walcker die Pflege dieser Orgel mit einem auf sechst Jahre geschlossenen Pflegevertrag. Im Jahre 1827 erfolgte eine Ausreinigung durch Walcker.
Im Jahre 1828 erbittet der für die Orgel zuständige Beamte Cronenberger, ein Orgel-und Dutzfreund Eberhard Friedrichs, zehn Zungenregister der Orgel veräußern zu dürfen. Nur Trompete 8’ und Posaune 16’ will er in der Orgel belassen. Der Posaunenbaß soll einschlagend werden. Es sollen auch weitere einschlagende Register wie Physharmonika und Bassethorn eingebaut werden. Dieser Antrag wird am 16.März 1829 genehmigt. Weitere Ausdehnung von Reparaturen an Windladen und Traktur werden abgelehnt.
Über diese von Walcker gepflegte aber noch nicht wesentlich ungebaute Orgel gibt es bereits folgende Beschreibung im Jahre 1834: Sie ist ein Nachbild der berühmten großen Orgel in WEingarten, und hat, mit wenigen Ausnahmen dieselben Register. Die Basis derselben ist ein Pedal von 32 Fuß Tiefe. Töne von unbeschreiblicher Erhabenheit…(..). Neben diesen, sanft streichende Violone, ernste Posaunen und der alles zusammenhaltende, berherrschende Prinzipal. Die vier Manuale, deren jedes ein für ich bestehendes Werk ausmacht, mit charakteristischer Unterscheidung untereinander, bestehen in einer großen Anzahl sehr mannigfaltiger Register. Das Material ist solide. Ein Sorgenkind bildeten die Windladen und insbesondere die bei der Neuaufstellung im Chor der Stuttgarter Stiftskirche außerordentlich verwinkelt angelegte Mechanik. Die rund 70 Jahre alte Belederung der Bälge sei vielfach schadhaft. (geschrieben 1834, was heißt, die Orgel wäre 1764 gebaut (1750 wurde Weingarten von Gabler gebaut). Diese Orgeldisposition findet sich auf S.82 bei Emile Rupp „Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst“, als Reiseaufzeichnung von Johann Andreas Silbermann, die aber Rupp selbst als unkorrekt bezeichnet. In Hermann Meyer „Riepp“ findet sich eine Disposition von Cronberger, die ebenfalls fragwürdig sein dürfte, aber auch mit vergleichbaren dispositionellen Fehlern ausgestattet ist wie die Rupp-Silbermannsche. Insgesamt hat das Werk bis dato 1834 also 6471 Pfeifen, 12 Bälge und 4 Koppeln.
Die Disposition nach dem Umbau durch EFW wird aus Hermann Meyer „Riepp – Seite 234“ entnommen, weil jene Disposition von Moosmann S93 sowohl in Schreibweise wie in Zusammensetzung fehlerhaft ist.
Ab 1837 wurde ein weiterer vertraglicher Umbauplan erarbeitet (wir nehmen weiter unten auf einen Schriftwechsel zwischen Walcker und Cronenberger Bezug, der zu Auseinandersetzungen aus diesem Vertrag führte. Zunächst möchte ich aber auf für Eberhard Friedrich Walcker wichtige Einzelheiten der Orgelgestaltung eingehen. So wurden die Zusammensetzung der vorher 18fachen Mixtur im Hauptwerk vereinfacht: 4- 3 1/5 – 2 2 /3- 2- 2- 1 3/5- 1 – 1 ; also 8-fach mit neuen Pfeifen beim 3 1/5.
Natürlich schlägt Walcker vor die Orgel mit neuen Springladen (gemeint sind seine gerade erst entdeckten Kegelladen) auszustatten mit ihrem frischen und präzisem Ton und ihrer leichten Spielart. (Worauf Meyer in seinem Buch (1938) schreibt: das Werk besitzt heute wohl die zäheste Mechanik Deutschlands). Damit erklärt sich der Stiftungsrat am 24.Jan.1843 unter gewissen Voraussetzungen einverstanden. Walcker hat sich in einem Schreiben (am 14.März, wird weiter unten zitiert) gegen ein zweites Pedal , das dem Organisten große Ungelegenheiten bereite, erklärt. Aber er legt großen Wert auf verschiedene Zungen, besonders der 32’-Zunge im Pedal.

In den Akten der Stiftskirche findet sich u.a. folgender Brief von EFW an seinen Freund Cronberger in Stuttgart. Cronberger war Kanzlist bei der Kammer der Standesherren und mit allen Finessen eines Württembergischen Schreiber-Bürokraten wohl vertraut. Der Brief lautet:
„Ludwigsburg, den 14. März 1837. Lieber Cronberger! Ich war vergangene Woche und bis vorgestern verreist, weshalb meine Antwort erst jetzt erfolgt. Das, was Du mir in Betreff unseres Planes noch mal zur Überlegung und Beurtheilung mitgetheilt hast, habe ich nochmals reiflich erwogen und lege Dir und Herrn Kocher hiermit meine Ansicht vor. Der ganze Mehrbetrag des letzten Planes kam mir, in Vergleichung mit dem, was weiter geschehen soll, gar nicht auffallend viel vor und übersteigt auch die Summe, die man sich vorgestellt hat, nur wenig. In Betreff der Berechnung des früheren Planes von anno 1834 möchte es vielleicht sein, dass einzelne benannte Gegenstände noch irgendetwas niedriger gestellt werden könnten; allein die Erfahrung hat es mir schon genugsam bewiesen, dass die vielen nichtbenannten Nebenumstände, die selbst der erfahrenste Praktiker nicht vorauszusagen und aufzuzählen vermag, von selbst die oft noch so vorteilhaft scheinende Berechnung zum ganz mittelmäßigen und oft gar geringen Verdienst heruntersetzen. Ich könnte mich daher vorderhand nicht leicht entschließen, auf die frühere Berechnung irgendeine andere Last aufs Geratewohl zu legen, bin aber dagegen auf der anderen Seite vollkommen bereit, eine solche Kostenverminderung zu erzielen, die der Ausführung des Ganzen behilflich wird und von der Hauptsache nichts verloren gehen wird.

Spieltisch in Stuttgart Stiftskirche von
Eberhard Friedrich Walcker

Nur muss ich im Voraus bedauern, dass meine Ansichten in dieser Beziehung von den Deinigen und des Herrn Kocher etwas verschieden sind. In dem ersten Artikel Lit. a und b legen Sie beide einen weit größeren Wert auf die vorgeschlagene Tasteneinrichtung oder die Verbindung der beiden Seitenwerke, als ich es nach meiner Überzeugung finde. Ich dächte, die Seitenwerke könnten füglich hinter den Bogenpfeilern geteilt und ohne Verbindung mit den Hauptpartien gelassen, nur durch einfache Seitenwandungen geschlossen werden; dadurch würden 90 Gulden erspart.
Punkt 2: Man. Untersatz 32 Fuß möchte ich möglichst beibehalten.
Nr. 2: Physharmonika 8 Fuß sollte, wenn auch gleich Herr Kocher nicht dafür ist, in einem so umfassenden Werk durchaus nicht fehlen, und
Nr. 3: dass die verlängerte Leitung des Regierwerkes eine absolute Notwendigkeit ist und der Posten hierfür bleiben muss, wirst Du Dich erst dann überzeugen, wenn ich Dir die Einrichtung desselben genauer detailliert und den ganzen Plan über die Leitung des Regierwerks mitgeteilt habe …“
Es folgt nun eine Skizzierung der von Walcker für unbedingt notwendig gehaltenen Gestaltung der neuen Disposition, wie sie dem Nachtragsplan zugrunde liegt. Dann wird weiter gesagt:
„Die Clarine im Pedal wegzulassen bin ich nicht der Ansicht. Nicht umsonst trifft man in jeder großen Orgel Zungenwerke von jeder Tonhöhe an, diese, ob sie auch einzeln öfters nicht viel taugen, müssen dem ganzen, so wie die Mixturen, nur wieder auf eine andere Art, Glanz und Leben geben. Es wurde mir von einigen berühmten Organisten, wie z. B. Hesse in Breslau und Töpfer in Weimar, sogar getadelt, dass ich in meinem Frankfurter Werk nicht auch eine zweiunddreißigfüßige Zungenstimme disponiert habe, dagegen haben sie es sehr lobenswert gefunden, dass sogar zweifach Hörnlein angebracht waren. Auf meiner Reise sah und hörte ich in Hamburg ein solches zweiunddreißigfüßiges Bombardregister, das mir wirklich, zum ganzen Werk gebraucht, sehr gut gefiel…“
„Du hast mir im dritten Klavier auch noch die Fertigung eines neuen Registers (Flötenregister 8 Fuß) angehängt; finde ich, im Verlauf der Arbeit, dass mein Verdienst ausreicht, so sei versichert, dass ich dasselbe noch einrangieren werde, und in diesem Fall würden es 66 Register werden. (Dass das nicht nur ein bequemer Kanzleitrost für den Augenblick sein sollte, geht daraus hervor, dass Walcker eine genaue Disposition in den Brief eingeschaltet hat über die eventuelle Gestaltung dieses 66. Registers. Tatsächlich hat die Orgel, bis sie vollständig fertig war, sogar 70 klingende Register umfasst, wie aus dem Bericht im .Schwäbischen Merkur“ über die Einweihung der Orgel zu entnehmen ist. D. Verf.)
Ich bitte nun Dich sowohl als Herrn Kocher herzlich, lassen Sie jetzt doch die Disposition so wie sie ist; das Ganze hat nun ein gar schönes Verhältnis, und sollte auch die eine oder andere Stimme überflüssig erscheinen, sie gehört zum Ganzen! und ein anderer findet vielleicht sein Wohlgefallen daran. In einer kompletten Haushaltung sind silberne und erdene Gefäße, zu ehren und unehren Zwecken!…….
Meinen herzlichen Gruß an Dich und Herrn Kocher, sowie an Deine liebe Frau, der ich von Herzen eine baldige Genesung wünsche.
Dein wahrer und aufrichtiger
E. Fr. Walcker.“
In der Sache hat Walcker durchaus gesiegt, aber die Arbeit hat sich jahrelang hingeschleppt und noch allerlei Wendungen genommen. Am 12. Juni 1837 wurde sodann ein neuer, detaillierter Vertrag über die Versetzung der Stiftskirchenorgel vom Chor der Kirche auf die gegenüberliegende Empore und über eine vollständige Umarbeitung der Orgel mit Walcker abgeschlossen. Dann aber kam durch das Dazwischentreten eines Nürnberger Architekten, Prof. Heideloff — ein geborener Stuttgarter —, eine vollständige Erneuerung der inneren Ausgestaltung der Stiftskirche, die auch eine Erneuerung des Orgelgehäuses vom Rokoko zum altdeutschen Baustil erforderte. Als Walcker sodann mit der Einziehung der neuen Windlade — Kegellade an Stelle der Schleiflade — da und dort große Erfolge erzielte, entschloss man sich, auch die Stiftsorgel mit dieser Neuerung auszustatten, was naturgemäß immer wieder zu neuen Nachforderungen Walckers an die Stadt Stuttgart führte, die damals die Kosten für die ganze Arbeit zu tragen hatte.
Wie langsam aber eine solche Sache im Kampf mit der berühmten und berüchtigten schwäbischen Schreiberherrschaft vor sich ging, mag daran ersehen werden, dass ‚die Einweihung der Orgel glücklich am 8. Oktober 1845 erfolgen konnte. Der letzte Nach- und Schlussvertrag wurde am 19. Juni 1843 unterzeichnet. Die Arbeit belastete also die geschäftlichen Dispositionen E. F. Walckers mehr als elf Jahre. Es gab dabei noch mehrfach starke Meinungsverschiedenheiten sachlicher und grundsätzlicher Art, in denen Walcker unerbittlich für seine künstlerische Überzeugung kämpfte und auch siegte, aber es gab auch scharfe Zusammenstöße wegen der Behandlung der finanziellen Dinge. Die erste Vereinbarung lautete, dass ein Drittel der Vertragssumme bei Auftragserteilung, ein Drittel etwa in der Mitte der Arbeit und ein Drittel nach Fertigstellung bezahlt werden sollte. Durch die mehrfachen Änderungen des Auftrags änderten sich aber naturgemäß auch die Summen der Kosten, und es kam zu Zwischenforderungen, die seinem Freunde Cronberger schwer zu schaffen machten und dessen pedantische, kameralistische Denk- und Rechnungsweise ganz aus der Fassung brachten. Aus solcher Bedrängnis heraus hat er seinem Freund Walcker in einem Brief vom 24. Februar 1842 hart zugesetzt. Er schreibt u. a.: „Der Tatbestand der geleisteten Arbeit und die Preiswürdigkeit derselben sei noch gar nicht urkundlich festgestellt“, Walcker werfe sich da in eigner Sache zum alleinigen Richter auf usw. Darauf antwortet Walcker am 28. Februar folgendermaßen:
„Lieber Freund! Dein gestriges Schreiben ist für mich und meinen C. Spaich im höchsten Grade kränkend, und wir begreifen kaum, wie man so kaltblütig und schlechtweg einem Handwerksmann (denn als solchen sieht man einen ja doch bloß an) seinen sauer verdienten Lohn verkümmern, seine Forderung zurückweisen und als unstatthaft erklären kann! Haben doch andere Handwerksleute und selbst Baumeister ihre Rechnungen eingereicht und um ihre Zahlungen gebeten! Warum soll es denn bei mir allein unanständig sein, für wirklich geleistete Arbeit, wo bereits beinahe zwei Drittel nur als bare Auslagen praestiert worden sind, eine Bitte um gefällige Ausbezahlung zu stellen?
Wir beide sind täglich zur Verantwortung bereit und wünschen, dass uns bald eine Zeit bestimmt werden möge, wo wir diejenigen überzeugen können, welche die Rechnung für unbillig finden.
Dich freundschaftlich grüßend E. Fr. Walcker.“

Cronberger gab sein zweites Schreiben vertraulich auch dem damaligen Stuttgarter Stadtschultheißen Gutbrod, der der Orgelbaukommission angehörte, zu lesen und stellte Walcker anheim, sich bei Gutbrod über ihn und den Organisten Kocher, der mit ihm derselben Meinung sei, zu beschweren. Ob Walcker das tat, ist nicht bekannt. Aus den Akten der Stuttgarter Stiftskirche, der diese Dinge entnommen sind, ist nichts darüber ersichtlich. Dagegen liegt ein Schreiben Gutbrods an Cronberger vor, in welchem zwar der Eifer und die Korrektheit Cronbergers anerkannt werden, aber doch zugleich dem Bedenken Ausdruck gegeben wird:
„Ob nämlich durch Ihre Erwiderung Herr Walcker nicht in einer Weise betroffen werden wird, welche nachteilige Rückwirkungen auf unsere .gute Sache‘ äußern könnte.
Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!
Aber das müssen Sie, der Sie Walcker besser kennen als ich, wissen, ob Ihr Schreiben nicht einen so starken Eindruck auf ihn macht in der Art, dass er für unser Geschäft, das doch vor allem mit Lust und Liebe behandelt werden sollte, einen Widerwillen fasst, dessen Folgen kaum zu übersehen sein würden.“
Aus diesem Schreiben ist zu schließen, dass der in dieser Angelegenheit maßgebendste Mann — denn die Stadt Stuttgart war Zahlstelle in dieser Sache — für Walckers Forderung weit mehr Verständnis hatte als Sekretär Cronberger, und so ist auch anzunehmen, dass die Angelegenheit in einer für Walcker befriedigenden Weise erledigt wurde.
Über die Aufnahme der Orgel in der Öffentlichkeit und über den Eindruck, den das Spiel auf ihr auf die Zuhörer machte, ist in den Nummern 307 und 309 des „Schwäbischen Merkur“ von 1845 ein geradezu enthusiastischer Bericht enthalten:
„Die Orgel steht jetzt nach dem Urteil der Kenner in allen ihren technischen Teilen ganz, in ihrem Pfeifenwerk zu zwei Dritteln neu und auch im letzten Dritteil so verändert und gebessert, dass es dem Chor als neu erscheint, in einer Vollendung da, wie gewiss bis jetzt kein anderes Orgelwerk in- und außerhalb Deutschlands.“ Dagegen wird von der alten Orgel gesagt, dass sie „teils von vornherein unzweckmäßig angelegt und höchst mangelhaft ausgeführt war, teils wurden diese ursprünglichen Defekte bei der Aufstellung noch mit einer nicht unbedeutenden Anzahl neuer vermehrt. Kein Wunder daher, dass das Werk, aller fortwährenden kostspieligen Reparaturen ungeachtet, doch niemals die Wirkung herzuverbringen vermochte, die man nach seiner Größe hätte erwarten können.“ Walcker habe „durch dieses von ihm zwar nicht ganz neu erbaute, aber durchaus erneuerte Werk seinem Namen keine geringere Ehre als durch seine großartigen Neubauten gemacht.“
„Möge das wohlgelungene Werk als ein Denkmal vaterländischer Kunst und als ehrendes Zeugnis für den Kunstsinn der Städtischen Kollegien, die sich’s nicht geringe Opfer kosten ließen, unversehrt auf eine dankbare Nachwelt übergehen!“
In einem Sonderbericht des „Merkur“ wird auch noch eingehend der Fortschritt im Orgelspiel herausgestellt, den die von Walcker bedeutend verbesserte Spring-Windlade gegenüber der Schleif-Windlade bedeutet. Zusammenfassend wurde gesagt: „Kurz, das Spiel ist jetzt so erleichtert, dass z. B. auf der Stiftskirchenorgel bei vollem Werk von 70 Registern mit gekoppelten vier Klavieren noch ein schöner Triller gemacht werden kann, was früher eine gänzliche Unmöglichkeit war. So ist nun erreicht, was lange gewünscht und gesucht wurde: das Traktement ist so leicht als möglich, die Register erscheinen im einzelnen und ganzen in ihrer Kraft und Fülle, die Reinheit ihrer Intonation und Stimmung bleibt unverändert, und das Ganze ist von einer bis jetzt nie gehörten Pracht.“
In diesem Zusammenhang wird auch mitgeteilt, dass sich aus der Orgelbauanstalt Walcker ein selbständiger Zweig abgelöst und ein eigenes Orgelbaugeschäft aufgemacht hat. Der Neffe von E. Fr. Walcker, Orgelbauer Karl Weigle, der „den ganzen Bau im Geiste seines Oheims an Ort und Stelle geleitet und mit lobenswerter Präzision ausgeführt hat, ist durch diese Arbeit in unserer Stadt heimisch geworden und hat bereits ein eigenes, viel versprechendes Etablissement hier eröffnet“. Es handelte sich hier um die Orgelbauanstalt Friedrich Weigle in Echterdingen bei Stuttgart.

Anhänge: Bilder, Dispositionen, Mensurblätter
Dispo Cronenberger:
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Dispo EFW-Umbau 1839
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Dispo Moosmann (Strebel 1944 vor Zerstörung)
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Dispo Rupp (Abschrift Silbermann der Orgel Zwiefalten)
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Mensurenblätter aus Meyer „Karl Joseph Riepp, 1938“
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Arnold Strebel am Spieltisch der Orgel
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Spieltisch zwei Wochen vor der Bombardierung:
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Ansicht der Orgel aus unbekannter Quelle
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gwm

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Aus dem Bericht vom Jahre 1863 über die Walcker-Orgel in der Musikhalle zu Boston

Schon zu Zeiten der Gründung der Musikhalle zu Boston hegte man den Wunsch nach Beschaffung eines geeigneten Orgelwerkes, ohne welches der reine Architekturcharakter und die vortrefflichen akustischen Eigenschaften der Halle nie voll und ganz zur Geltung gebracht werden konnten, und es war gelegentlich der Jahresversammlung der „Music Hall Association“ im Jahre 1856, als der Plan zum Bau einer Monumentalorgel gefaßt wurde. Nachdem teils durch öffentliche, teils durch private Ausschreibung die Summe von $ 60000.— zusammengebracht war, wurde Dr. Upham im Oktober 1856 ermächtigt, zwecks Studiums der Orgelfrage in das Ausland zu gehen. Zugleich erhielt er Vollmacht, den Bau der Orgel zu vergeben.
Er ging zunächst nach England, wo er die Bekanntschaft des Herrn E. J. Hopkins, später Dr. Hopkins, machte, welcher von vielen als „der Vater der englischen Organisten“ bezeichnet wurde. Mit Hilfe von Dr. Hopkins vervollständigte er seine orgelbautechnischen Kenntnisse und suchte mit ihm viele der besten Orgelwerke Londons auf, sowie auch die Orgelbauanstalten von Hill, Gray und Davidson, Willis, Robeson und anderen namhaften, englischen Orgelbauern. Von London ging Dr. Upham nach Holland, wo er die berühmten Orgelwerke in Haarlem, Amster¬dam und Rotterdam besichtigte. Nachdem er noch der Orgel¬bauanstalt in Utrecht einen Besuch abgestattet hatte, kam er nach Deutschland. Sowohl in Utrecht als auch in Köln erhielt er Pläne und Dispositionen von Orgeln. In Frank¬furt a. M. und Stuttgart lernte er die Instrumente der Firma Walcker & Cie. kennen und besonders erweckte die große Orgel im Münster zu Ulm sein Interesse. In Frankfurt a. M. hielt er sich sodann längere Zeit auf und prüfte die Dis¬positionen, welche er während seiner Reise erhalten hatte.
Bei der Auswahl unter den zahlreichen Firmen kamen in erster Linie die Orgelbauanstalten von Schulze, Ladegast und Walcker in Berücksichtigung. Nachdem er eine dritte Disposition mit einigen Hinzufügungen und Abänderungen von der Firma Walcker erhalten hatte, entschloß er sich für diese Orgelbauanstalt, unter der Bedingung, daß ihn Herr Walcker nach Paris begleite, um nach Besichtigung der fran¬zösischen Orgelwerke die Vorteile auch dieser Instrumente der neuen Orgel zugute kommen lassen. Dr. Upham und Eberhard Friedrich Walcker blieben dann zwei Wochen in London mit Dr. Hopkins, wo sie die Spezifikation für die Orgel weiter eingehend studierten und vervollkommneten. In einem mehr als 40 Seiten starken Dokument wurde der Kontrakt sowohl in englischer wie in deutscher Sprache niedergelegt, unter¬zeichnet und mit gerichtlichem Stempel beglaubigt.
Nachdem nahezu 5 Jahre über die Vorbereitungen zu der Orgel vergangen waren, wurde mit der Herstellung des Instrumentes in der Ludwigsburger Fabrik angefangen, und am 16. August 1862 wurde die fertige Orgel von der Kommission für genehmigt erklärt. Hierauf wurde die Orgel abgebrochen, verpackt und durch die Brigg „PRESTO“ nach Amerika verschifft. Nach einer stürmischen Seereise von nahezu 3 Monaten wurde das Schiff im Hafen von Boston gesichtet und am Tage darauf meldeten die Zeitungen das Eintreffen des Instrumentes.
Durch die persönliche Vermittlung des Richters Putnam, Washington, wurde die Orgel zollfrei eingeführt.
Während der nächsten 7 Monate war man mit der Auf¬stellung der Orgel in der Musikhalle beschäftigt und am Sonnabend, den 31. Oktober 1863, geschah die feierliche Uebernahme des Werkes von dem Komitee in Gegenwart der leitenden Persönlichkeiten der Stadt und einer Anzahl geladener Gäste. Mehrere der Herren vom Komitee, der Sohn des Erbauers der Orgel, Herr Fritz Walcker, und der Bauleiter waren anwesend. Um 8 Uhr hörte man zum ersten ¬mal die Klänge der großen Orgel, die vollständig von einem grünen Gazevorhang, der vom Fußboden bis zur Decke reichte, eingeschlossen war. Die leise anschwellenden Töne der Orgel nahmen die Hörer in solchem Maße gefangen, daß das abgedämpfte Licht im Orgelraum, welches wie ein Schleier über die ganze Szene ausgebreitet schien, kaum auffiel. Das Spiel dauerte ungefähr 20 Minuten, als plötzlich alle Lichter aufflammten und der riesige Vorhang langsam zu fallen begann. Kein Laut unterbrach den Zauber des Augenblicks. Aller Augen richteten sich auf das sich lang¬sam entschleiernde Werk, bis es sich in seiner ganzen Pracht den Blicken darbot. Die Zuschauer erhoben sich und tosender Beifall bekundete den erhebenden Augenblick. Nach¬dem ein dreimaliges Hoch von Dr. Upham ausgebracht war, spielte Herr George W. Morgan, Organist der Grace Church in New York die Ouvertüre von Wilhelm Tell. Dann hielt Herr Dr. Upham als Vorsitzender des Komitees eine längere Ansprache, in der er am Schlusse die Orgel den Aktien¬besitzern und den Subskribenten in aller Form übergab. Herr Dr. Upham führte, nachdem er einen kurzen historischen Bericht gegeben hatte u. a. folgendes aus: „Der Besitz des Instrumentes ist als ein Vermächtnis seitens der Subskri¬benten für die „Music Hall Association“ anzusehen, das so lange in Kraft bleibt, als die Halle ihren Originalcharakter bewahrt. Für den Fall, daß das Gebäude jemals verkauft, oder für andere Zwecke verwendet werden sollte, wird die Orgel entfernt werden, bis ein anderer würdiger Ort zu ihrer Aufnahme gefunden ist. So steht die Orgel denn hier, wie sie stehen sollte, als ein Wächter von nicht geringerer Größe für unsere privilegierten Rechte und gleichzeitig als eine Vorbedeutung auf die Entwicklung hoher Kunst für spätere Jahre.“ Nach Schluß von Dr. Upham’s Ansprache kam ein auserwähltes Musikprogramm zur Ausführung.
Am folgenden Montag Abend, den 2. November 1863 wurde das Publikum zur formellen Einweihung der Orgel zugelassen. Die Halle war angefüllt mit einer glänzenden Versammlung und die Orgel wurde wie am vergangenen Samstag, wiederum mit einem Vorhang umgeben. Nach einem kurzen, leisen Präludium, welches sich im Gemurmel der Menge fast verlor, rezitierte Fräulein Charlotte Cush¬man eine Einweihungs – Ode, die anonym von einer Dame in Boston gestiftet war.
Zum Schluß spielte Herr Walcker einige Akkorde, während der Vorhang langsam niedergelassen wurde. Diese aber¬malige Enthüllung der Orgel fand einen triumphartigen Applaus.

Hier einige relativ hoch aufgelöste Bilder:
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siehe hierzu auch: unseren Blog

hier ein einzigartiges Dokument: Zeitung aus 1863 zu den Einweihungsfeierlichkeiten:
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und hier noch eine der letzten Dispositionsabschriften, aus der man erkennen kann, dass noch rund 40 Register aus Walcker-Beständen stammen:
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Anmerkungen zur Frankfurter Paulskirchen-Orgel EFW

Es gibt einen interessanten Beitrag von Hermann Fischer, den er zur Geschichte der Stadt Frankfurt verfasst hat, mit dem Titel „Die Orgeln der Paulskirche“ und in dem die von mir angesprochene Problematik der unklaren Zweiunddreissig-Füsser ebenfalls behandelt wurde.
Dieser Artikel wurde von Fischer im Jahr 2000 verfasst und sollte damit als aktueller Beitrag durchaus letzter Stand der Untersuchungen sein.
Ich zitiere aus dem Beitrag den für unsere Betrachtung wichtigen Text in Sachen „Fragwürdigkeit der Disposition“ was bei dem Fischer-Beitrag auf Seite 411 zu finden ist:
Auch hinsichtlich der Registerbauweise bleiben noch etliche Fragen offen, z.B. wird das Pfeifenmaerial nur in wenigen Fällen erwähnt; ist ein durchgehendes Cornett auf 10 2/3 -Basis realistisch? Warum repetiert die Octave 2′, währen die 2′-Octave das nicht tat? Der gedeckte Manual-Untersatz 32′ begann nach anderer Lesart erst bei c0. Waren die als offen bezeichneten Register auch durchweg in der tiefen Oktave offen, oder gab es da nicht auch in einzelnen Fällen die gedeckte Bauweise oder gar eine gemeinsame große Oktave bei benachbarten Registern gleicher Tonhöhe? Das sind alles Fragen, die bei einem so großen und ausgetüftelten Instrument doch naheliegen. (Ende Zitat Fischer)
Wir werden sehr viele Fragen nach Durcharbeiten der mir vorliegenden originalen Mensuren von Eberhard Friedrich Walcker hier beantworten können. Dies wird aber noch einige Jahre dauern, da diese Aufarbeiten sehr zeitintensiv sein wird.
Jetzt schon meine ich aber, ist klar geworden, dass das Geheimnis um die Dispositionen der Frankfurter Walcker-Orgel kein Gespenst war, wie viele Leute das unmittelbar nach Veröffentlichung meiner Fragen hier auf unserem Blog gleich behauptet haben, sondern, dass es eben um die Aufschlüsselung einer Handwerker-Logik geht, wie sie bei Eberhard Friedrich Walcker durchaus vorzufinden ist, und, dass dazu genügend Material dazu bereit steht.
Wer Interesse hat, hierbei mitzuarbeiten ist gerne dazu eingeladen,
gwm 25.4.09 Bliesransbach

ffm_paul_02.pdf

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Ich, Eberhard Friedrich Walcker, Orgelbauer von Gottes Gnaden und Auftrag….“

Die wahre Geschichte zur Frankfurter Paulskirchenorgel aus den Worten des Erbauers erzählt.
„Ich selbst“, schreibt er, „wollte anfangs von einer Bewerbung abstehen, weil mir das zur Fertigung eines so großen Werkes nötige Kapital nicht zu Gebote stand. Erst auf mehrfache Aufforderung entschloß ich mich dazu. Drei Jahre dauerten die Verhandlungen mit der Baukommission, bis ich endlich mit ihr ins Reine kam. Meine eingehende Registerdisposition, bei welcher ich einerseits dem Vogler’schen System folgte, andererseits dem Instrument den der Größe der Kirche entsprechenden, großartigen Ton-Charakter zu geben suchte, zog- zwar die Aufmerksamkeit der Baukommission auf sich, insbesondere zweier Mitglieder derselben, Hofrats Andree von Offenbach und des Herrn Schneyder von Wartensee, damals in Frankfurt.
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Die Konkurrenten aber erhoben eine Menge von Einwendungen und Streit¬fragen, insbesondere gegen das Vogler’sche System. Die Widerlegung wurde mir gar nicht schwer, hatte ich doch den großen Wert der Vogler’schen Erfindung durch Vogler selbst praktisch und theoretisch kennengelernt. Gleichwohl scheiterte ich fast noch zuletzt, als ich den Abschluß des Akkords sicher glaubte und später bei der Ausführung. Ich hatte nämlich in meinem Plan ein offenes 32füßiges Register aufgenommen, d.h. ein Register mit offenen Holzpfeifen, deren größte 32 Fuß Länge haben und die tiefsten Baßtöne bis zum Doppel-Contra-C hervorbringen sollte. Aber gerade dagegen sträubte sich die Baukommission.
Hofrat Andree fragte mich, ob das Register zum Gebrauch oder zur Dekoration proponiert sei. Ich antwortete, ob er mich für einen Schwindler halte. Ich wollte dieses Register zum Spielen und Hören, nicht zum Beschauen, bauen. Andree meinte weiter, er habe zwar die größten und berühmtesten Orgelwerke Europas kennengelernt und darin solche Bässe wohl gesehen, nie aber gehört; keiner habe einen deutlichen musikalischen Ton von sich gegeben und er, Andree, halte solche Tontiefe überhaupt für ein musikalisches Unding und solchen Baß für einen bloßen Windfresser. Die Kommission gebe einem recht gesunden 16füßigen Baß bei weitem den Vorzug.
Dies war mir aber umso bedauerlicher, als ich gerade durch dieses Register dem Werk die Krone aufsetzen, der ganzen Tonmasse erst das volle Relief, den wahren Charakter geben wollte. Ich bestand deshalb auch mit aller Beharrlichkeit auf der Ausführung dieses Baßregisters und es wurde mir dasselbe endlich, auf meine feierliche Versicherung, daß ich rneines Kalküls sicher sei, gestattet, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich nicht bloße Kasten, die ein sturmwindartiges Gebrause hervorbringen, sondern Pfeifen herstellen wolle, die einen klaren, deutlichen Ton von sich geben. Aber durch welche Angst und Not mußte ich mit meinem 32füßigen Basse gehen!
Als die fertige Orgel in Frankfurt aufgestellt wurde, war nach dem Vor¬gesagten der Vorstand der Baukommission, Hofrat Andree, begreiflicherweise ganz besonders auf dieses Register begierig. Er kam täglich selbst, um nach dem Fortgang des Werkes zu sehen. Wiederholt zeigte er sich erfreut über die egale und feine Intonation der einzelnen Register und wurde nur immer verlangender nach dem tiefen Baß.
Endlich waren auch diese kolos¬salen Pfeifen eingesetzt. Aber wer malt mein Erschrecken, als ich die Tasten anschlug und bei den tieferen Pfeifen der Ton versagte. Die prompte und tiefe Intonation auch der tieferen dieser Stimmen war mein besonderes Anliegen gewesen, und nun mochte ich versuchen, was ich wollte, meine Pfeifen leisteten das nicht, was ich versprach, d. h. sie gaben keinen reinen Ton von sich. Glücklicherweise war Hofrat Andree bei diesem ersten Versuch nicht anwesend und so nicht Zeuge meiner Not. Nun konnte ich in der Stille und, ohne daß jemand etwas merkte, nachdenken und probieren. Wie oft aber mußte ich dem Hofrat auf seine immer dringendere Frage: „Was macht der 32 füßige“, mit immer schwächerer Hoffnung und Zuversicht antworten: „Nur noch ein klein wenig Geduld!“.
Unterdessen versuchte ich, was möglich war, aber es half nichts. Ich revidierte mein mathematisch-physikalisches Kalkül; das war richtig und fehlerlos, aber meine Pfeifen taten eben ihren Dienst nicht. Meine Intonationskunst, auf die ich so stolz war, schien eben beim Contra-C an ihrer Grenze zu sein und der Umstand, daß mein Kalkül sich bei mehrfacher Revision als untadelhaft erwies, weckte in mir den schrecklichen Gedanken, daß solche Töne für das menschliche Ohr gar nicht mehr vernehmbar seien.
In dieser Not und innerlich gedrückt ging ich eines Tages die Kirchen¬treppen hinab, seufzend zu dem, der mir schon oft aus der Not geholfen und schon manches hatte gelingen lassen. Ich wollte in der nahen Werkstatt nach meinen Arbeitern sehen; da höre ich plötzlich, von der Richtung der Werk¬stätte herkommend, einen außerordentlich starken und sehr tiefen Ton. „Das ist ja mein gesuchter Baß!“ rufe ich mir selber zu, und nach einigen raschen Schritten trete ich in die Werkstatt vor meine Arbeiter hin. „Was habt ihr da gemacht?“ fragte ich sie in größter Aufregung. Die so angefahrenen, harmlosen Leute schauten mich verwundert an und wußten keine Silbe zu erwidern. Ich sage ihnen, daß ich einen außerordentlich starken, sehr tiefen Ton, direkt von ihrer Werkstätte her, gehört habe, und sie möchten mir erklären, wo der herkommen könne. Ja, antworteten sie, einer von ihnen habe etwas leimen und den Leim warmmachen wollen und habe, um schnell fertig zu werden, einen ganzen Haufen Hobelspäne in den hier befindlichen Windofen geworfen und angezündet. Diese seien plötzlich in Brand geraten, und davon hätten der Ofen und der Kamin so gebrummt, daß sie alle erschrocken seien.
Sogleich ließ ich das Experiment wiederholen, und abermals ließ sich aus dem Kamin derselbe donnerähnliche Ton in ganz deutlicher Unterscheidbarkeit vernehmen und zwar noch einen Ton tiefer, als das Doppel-Contra-C meines Basses werden sollte. Nun atmete ich wieder leichter; denn der Sorge, daß solch tiefe Töne für das Ohr nicht mehr recht faßbar seien, war ich enthoben. Zuerst untersuchte ich nun den Kamin; denn die in demselben eingeschlossene Luftsäule hatte ja den Ton hervorgebracht durch ihre Vibration. Es ergab sich bei der Abmessung, daß der innere Raum des Kamins mathematisch genau mit dem Kubikmaße der Luftsäule eines 64füßigen A-Tones übereinstimmte, und damit war einmal die Richtigkeit meines mathematischen Kalküls bestätigt. Aber woher kam es, daß der Kamin einen so deutlichen Ton hervorbrachte, die Pfeifen dagegen nicht? Endlich kam ich auf die Lösung des Rätsels. Die aus Backsteinen zusammengesetzten Wände des Kamins waren stark genug, um der Vibration solcher gewaltigen Luftsäule die zur gesunden Reproduktion erforderliche Resistenz entgegenzusetzen, nicht so die schwachen Wände der betreffenden Pfeifen. Durch Verdoppelung mußte ich sie verstärken und dann das ganze Register durch starke eiserne Bänder zu einem Block verbinden. Das Resultat war, daß nicht allein die 8 untersten Töne des Basses mit voller Wucht und ganz deutlich ertönten, sondern auch die höheren Noten, die zuvor schon befriedigten, hatten so bedeutend gewonnen, daß man jeden Ton um eine Oktave tiefer zu hören glaubte.
Nun endlich konnte ich auf die erneute Anfrage des Hofrats: „Was macht der 32Füßer?“ antworten: „Er ist fertig“. „Nun, so lassen sie ihn hören!“ war die Antwort. Ich fing bei der höchsten Note des Registers an und ging langsam die Skala herunter. Als ich nun die unterste Oktave ansprechen ließ, rief Andree ganz verwundert aus: „Was! noch tiefer? noch tiefer?“ Schließlich eilte er zu mir auf die Orgel, gratulierte mir aufs herzlichste zum Gelingen meines Werkes, umarmte und küßte mich in ganz exaltierter Freude, und von da an fehlte es mir nie und nirgends an der nötigen Empfehlung. Auf die weitesten Entfernungen hin durfte ich Orgeln bauen, und alle trugen zur Befestigung meines nunmehr erworbenen guten Rufes bei.
EFWalcker (abgeschrieben gwm 28.1.09

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Frankfurt Paulskirche – die Dispositionen

Jawohl, Sie haben richtig gehört, oder gelesen: die Dispositionen.
Es gibt eine Folge, die fehlerhaft sich ihren Weg sucht, und hieran kann man erkennen, was Determinismus ist: Als Willibald Gurlitt am 7.Januar 1940, zu einer Zeit, wo man in Deutschland sich so langsam ans Verdunkeln machte, einen Artikel in die FRANKURTER ZEITUNG setzte, wohl um die braven Bürger an bessere Zeiten zu erinnern, mit dem Titel „Die Frankfurter Paulskirchen-Orgel von 1827″. Hier verwandte Gurlitt eine Terminologie der Registernamen, die nicht mit der Schreibweise im Opusbuch 1 identisch ist. Außerdem fehlen Register.
Diese von Gurlitt aufgezeichnete Disposition wurde von allen nachfolgenden Schriftsteller abgeschrieben: Fischer, Walcker, Moosmann etc., wobei Moosmann bemerkte, dass es nicht 73 sondern 74 Register sind. Aber die Fehler, besonders der weiter unten gezeichnete gravierende im Pedal, wurde von allen völlig unkritisch abgeschrieben.
Seltsam ist, dass Gurlitt sagt, diese Disposition sei von EFW eigener Hand 1834 geschrieben, aber der Meister hat bis ans Lebensendez.B. „Gedekt“ und nie „Gedeckt“ geschrieben, was Moosmann direkt abschreibt, obwohl ja dieser Umstand dort bekannt war.
Ich nehme an, dass sowohl die Disposition im Opusbuch 1 (in meinem Archiv) so wie die Gurlittsche Disposition in Teilen fehlerhaft sind. Daher möchte ich beide Dispositionen hier einbringen.

Zunächst hier einmal die des Opusbuch 1
FRANKFURT PAULSKIRCHE ABSCHRIFT aus OPUSBUCH 1
Eberhard Friedrich Walcker BJ 1833 Opus 6
ffm-paulskirchexls.pdf

und nun die Disposition aus Gurlitt /Fischer /Moosmann
die folgenden Kardinalfehler hat: erstens ist der legendäre offene 32′ im Pedal doppelt eingebaut, als offener Subbaß und als Contrabaß. Mich verwundert, dass dies noch nie jemandem aufgefallen ist. Denn die ganze Geschichte, die Gurlitt erzählt dreht sich um dieses legendäre Register und die Klanggestaltung des tiefsten Tones, dem EFW seine ganze Aufmerksamkeit widmete. Und nun plötzlich ist dieses Register doppelt vorhanden, also müsste ja das Erfolgserlebnis doppel geschehen sein.
Die Begriffe und Schreibweisen der Register, die von Gurlitt und seiner nachschreibenden Zunft verwendet werden sind teilweise völlig untypisch von Eberhard Friedrich Walckers Schreibweise. Besonders die stark frankophil geprägten Flute harmoniques, sind nicht seine Sache gewesen, da war eher die Rede von Traversfloeten.
Jeder kann sich selbst ein Urtheil bilden:

ffm-paulskirche02xls.pdf

QUELLEN
Artikel Gurlitt komplett : gurlitt.PDF

Opusbuch 1 Kopie der Disposition Paulskircheopus01_ffm.PDF

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Opus 156 (167) Gommersheim

Diese Eberhard Friedrich Walcker Orgel (II/23 Bj 1859) offenbart eine Orgelgestaltung, wie sie typisch für Eberhard Friedrich war. Wir finden sie in Mimbach, Hoffenheim, in Herrenalb und in vielen anderen Orgeln. Es handelt sich um eine rein mechanische Kegellade mit seitlich angebautem Spielschrank, der Orgelprospekt ist in die Brüstung eingebaut. Vor und über dem Spieltisch befindet sich das I.Manual auf zwei Windladen, wobei hier besonders die Trakturführung bemerkenswert ist. Auf einer erhöhten Lade ist das II.Manual zu finden. Beide Manual werden von einem Stimmgang aus gestimmt, der recht eng bemessen ist. Hinter dem II.Manual haben wir das Pedal, dahinter die Stöpselbalganlage.
Dieses grundsätzliche Bauschema hat Eberhard Friedrich bei diesen kleinen Kegelladenorgeln nie verlassen. Die direkten Windkanäle in der Mitte der Orgel sorgen für einen direkten Wind. Die Winddrücke liegen um 80mmWS.
Hier zunächst der Prospekt der Orgel:
0156prosp.jpg

und hier die Orgelanlage farbig vom Meister aquarelliert:
0156_z01red.JPG

und hier noch ergänzende Orgelgestaltungen aus Wörth (Erlenbach) und Mimbach (170), wo dieselbe Orgelanlagen erkennbar sind:
0193_woerth_zschnitt.JPG0170_z.jpg

Zeichnungen aus gwm-archiv (c) 2008

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