Frankfurt Paulskirche – Der Spieltisch

Ganz selten, dass man heute noch Neuigkeiten von Eberhard Friedrich Walcker zugetragen bekommt. Lange schon habe ich den Spieltisch der Paulskirchenorgel gesucht. Besonders wegen der Gestaltung 2.Pedal und der Hilfszüge. Nun, diese Spieltischzeichnung wurde beim Umbau 1899 (Walcker) in der Musikinstrumentenzeitung veröffentlicht.
Ergänzungen zu den Hilfszügen und die Dispo werden in Kürze eingebracht.
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Gestaltungsunterlagen von Eberhard Friedrich Walcker

Welche Unterlagen haben die alten Meister besessen, welche haben für sie Bedeutung gehabt.
Hierzu habe ich mich nicht sehr lange umsehen müssen um eines der ganz großen Architekturbücher in der Bibliothek der Firma Walcker zu finden, dass vom Druckdatum (1765) her in Frage kam.
Es ist das über mehrere Jahrhunderte weltberühmte Buch „Die fünf Säulenordnungen“ von Giacomo Barozzi da Vignola oder einfach Vignola (* 1. Oktober 1507 in Vignola bei Modena; † 7. Juli 1573).
Das Buch, das in ursprünglicher Fassung wohl um 1550 erstmals erschien wurde mehrfach neu gedruckt.
Der hier vorliegende Band erschien 1765.
In jedem Falle aber ist es auch heute noch eine unentbehrliche Hilfe für das Verständnis historischer und historistischer Gestaltungstechniken.
Da dieses Buch sich in meinem Besitz befindet habe ich es irgendwann einmal komplett eingescannt.
Heute, nachdem ich immer wieder auf diese wichtigen Gestaltungshinweise zugreife, denke ich, dass es sehr wichtig für das Verständnis des Historismus und der damit verbundenen Gestaltung von Orgelbauwerken in Deutschland sein kann.
Dieses Buch ist unter dieser Seite abgelegt.

Und hier eine Kupfertafel aus dem Buch, das mit rund 30-40 solcher Tafeln aufwartet:

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Das Jahr 1826 – Kalenderblätter aus dem Brennpunkt der Romantik

Eberhard Friedrich Walcker hat sich, wie in der einschlägigen Literatur beschrieben, im Jahre 1820 in Ludwigsburg selbständig gemacht und bis 1826 die Orgeln in Kochersteinsfeld, Weinsberg und Stuttgart-Garnisonskirche neu gebaut.
Und wie aus den Sack-und Schreibkalendern hervorgeht sind in dieser Zeit viele andere Arbeiten gemacht worden. Besonders interessant aber waren für mich die Hinweise auf andere Orgelbauer, die ich hier wiedergeben möchte.
Zuvor ein Hinweis auf die Art dieser Kalender.
In der Zeit 1814 bis 1830 hat Eberhard Friedrich immer dieselben Kalender gewählt, die alle ungefähr dasselbe Format hatten (98mm Breite, 155mm Höhe). Das Deckblatt hat in der Regel die Bezeichnung „ Verbesserter genealogischer Sack- und Schreibkalender für Protestanten und Katholiken für das Jahr …“
Jeder Monat hat ein eigenes Blatt, dem ein stabiles Notizblatt folgt, auf die Eberhard Friedrich seine Notizen verfertigte. Daneben sind eingedruckt die Daten der königlichen Familie.
Neben dem Jahr 1826, das ich einmal als Markierungspunkt verwendet habe, sind hier weitere Auszüge benannt aus den Kalendern von 1815, 1820 und 1822.

Hier ein musikalisch patentierter kunterbunter Überblick um das Jahr 1826:

1816 Ventiltrompete, Ventilhorn patentiert
1819 Orgelbauer Marcussen erfindet den „Kastenbalg“
1822 Friedrich Buschmann erfindet „Mundharmonika“
1822 Spiralbohrer für Metall erfunden
1822 Äolsklavier von Schortmann
1824 L.v.Beethoven komponiert seine 9te Symphonie
1824 Orchestrionwerkstatt von Jakob Blessing eröffnet
1825 erste Dampflok mit Personenwagen fährt in England
1826 erste Fotografie von J.N.Niépce
1826 Joseph Freiherr von Eichendorff publiziert „Aus dem Leben eines Taugenichts“
1826 Ohmsches Gesetz vom deutschen Physiker Ohm aufgestellt
1826 der deutsche Klavierbauer Carl Bechstein und der Industrielle Friedrich Siemens werden geboren
1826 Carl Maria von Weber gestorben
1828 Paganini tourt durch Deutschland
1829 Schubert „acht Improptus“
1829 Chopin in Wien

1810- 1825 Unabhängigkeitskrieg in Südamerika
1823-1832 Eckermann „Gespräche mit Goethe“

1829 Goethe „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ letzte Fassung
1829 Patent für Akkordeon
1830 Berlioz „Symphonic phantanstique“
1830 Nähmaschine erfunden

Eberhard Friedrich Walcker wurde zum letzten Gefecht gegen Napoleon am 3.Juli 1815 eingezogen, aber nach 2 Tagen wieder entlassen. Die Sache hatte sich erledigt. Die Nachricht, dass Napoleon die Schlacht in Waterloo am 18.Juni 1815 verloren hatte, dauerte zwei Wochen bis sie im Schwabenlande angekommen war. Wichtig für Eberhard Friedrich war, dass er von einer nicht näher benannten Person einen Geldbeutel zum seinem 21.Geburtstag geschenkt bekam. Dieser Geldbeutel ist in meinem Archiv. Es befinden sich auch noch weiße Haare des Meisters darin. Ich kann versichern, dass darin nicht viel Platz für größere Beträge ist. Mit zehn Zwei-Eurostücken ist das Ding restlos gefüllt.
Text: Den 3.Juli wurde ich zum Landesaufgebot ausgehoben. … trat ich den Marsch nach Sulz an .. wurde ich unter das 5te Regiment erste companie 4ter zug eingerükt. Am 5ten wurde ich wieder entlassen. An meinem Geburtstag von C:- einen Geldbeutel und Mochouare zum Andenken erhalten.
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Das Jahr 1820
hier steht im Mai: am 7ten Ludwig Keller entlassen und dagegen Andreas Laukhuff v. Bretzfeld eingestellt . Interessant die Schreibübungen von EFW, indem er sich als Possesor und Orgelmacher Walcker mit geschwungenen Linien und Schönschrift übt.
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Das Jahr 1822
Text: am 16.Mai habe ich meinem Schwager Andreas Laukhuff geliehen: 100 Taler – diese nach landläufigem Zins zu .. verbindet sich Andreas Laukhuff (Unterschrift) . Obiges Capital den 17ten Juli selbst dem betreffenden Zins .. bezahlt F.Walcker (Unterschrift)

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Das Jahr 1826
Im Januar wurde die alte Orgel in der Garnisonskirche zu Stuttgart abgebrochen. Im März steht: Nach Ostern 1826 habe ich den Carl Weigle förmlich in die Lehre aufgenommen. Unter der Bedingung 6 Jahre lang zu lernen und jährlich 5f: als Entschädigung für die ersten Jahre zu zahlen. Also erstaunlich ist, die recht lange Lehrzeit, die mit ganz beträchtlichen Kosten für den Lehrling verbunden war! Nun wissen wir also, worher die hervorragende Qualität damaliger Orgeln herkam.

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gwm 4.Jan.08

*WEIGLE, Carl Gottlieb, Orgelbauer und Begründer einer renommierten Orgelbauwerkstätte in Stuttgart, später Leinfelden-Echterdingen, * 19.11. 1810 in Ludwigsburg, + 16.11. 1882 in Stuttgart. – Der Sohn eines Rotgerbers begann nach Abschluß seines Schulbesuchs ab 1826 in Ludwigsburg eine Orgelbaulehre bei Eberhard Friedrich Walcker, dessen 1. Frau Luise Beate Weigle eine Tante W. war. Hier erhielt er die denkbar beste Ausbildung und brachte es in langjähriger Tätigkeit mit Auslandserfahrung zum ersten Gehilfen Walckers. An den wichtigsten und meist außergewöhnlichen Orgelaufträgen des Hauses Walcker war er in seiner 19jährigen Tätigkeit beteiligt, z.B. Frankfurt, Paulskirche 1833, Tübingen 1835, Petersburg 1840, Reval 1842 und Stuttgart, Stiftskirche 1839-45. Außerdem erlebte er direkt die Entwicklung der Kegellade zur Praxisreife mit. 1845 verließ er den Betrieb und machte sich in Stuttgart selbständig. Trotz der übermächtigen und nahen Konkurrenz seines Lehrmeisters schuf er sich mit der ihm eigenen künstlerischen Begabung und peinlich sauberen Handwerksarbeit einen eigenen Kundenstamm hauptsächlich in evangelischen Kirchen Württembergs, eroberte aber ab 1851 auch schon ausländische Märkte. W. baute Orgeln mit Kegelladen und mechanischer Traktur. 1870 konstruierte er die erste rein elektrische Orgel in Europa und 1873 eine weitere für die Weltausstellung in Wien. Darin zeigte sich nicht nur seine Freude am Experimentieren, sondern auch seine Fähigkeit, Theorie und Praxis geschickt in Einklang zu bringen. Unter seinen Söhnen und Nachfolgern sollte sich dieser fortschrittliche Unternehmergeist mit der Entwicklung und Patentierung der pneumatischen Membranenlade fortsetzen. Bis zur Geschäftsübergabe an seinen Sohn Friedrich W. (1850-1906) am 1.1.1880 entstanden in den Stuttgarter Werkstätten rund 100 neue Orgeln, davon allein 9 für Übersee. Weigles Orgeln zeichneten sich »durch hervorragende Schönheit und den ganzen Geist der Treue, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit aus« (Kümmerle).

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Opus 127 Mannheim Synagoge 22/II, geplant 1854, und die Erfindung des Registerschwellers

Opus 127 Mannheim Synagoge 22/II, geplant 1854, im Opusbuch 1 als Opus143 registriert.
Also eine Orgel, die wenige Monate nach Neuhausen gebaut wurde, wobei ich höchste Vorsicht anraten würde, diese Orgel nun als typische Klangvorstellung Eberhard Friedrich Walckers zu deuten.

Interessant ist diese Orgel für die Mannheimer Synagoge für mich, besonders durch die hervorragende Darstellung von Dr. Achim Seip in Acta Organologica Band 29, aus der teilweise zitiert wird, und wo neben gesellschaftlichen, jüdisch spezifischen Fragen, besonders auch stilistische Zusammenhänge jener Zeit erklärt werden.
Zunächst die für Eberhard Friedrich Walcker typische Disposition:

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Gehäuse im „byzantinischen Stil“
freistehender Spieltisch, mit Gesicht
zur Gemeinde
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Die Orgel wurde ausgeführt mit mechanischen Kegelladen, vier Cylinderbälgen, und einen Registerschweller, der, wie Dr. Seip in seinem Artikel ausführt, bereits im Jahre 1851 für die Gemeinde in Horb von Walcker angeboten wurde, mit den Worten „… neueste Erfindung im RegierWerk für eine Schwellung des Tones von der leisesten Stimme bis zur vollen Stärke des ganzen Werkes..“
Lassen wir hier noch einen Artikel von Eberhard Kuhn aus der Zeitschrift URANIA zu dieser Orgel in Mannheim, Synagoge, zu Wort kommen:
„…. Vier Cylinderbälge führen dem, an Stimmenzahl zwar kleinen, aber an Tonkraft mächtigen Werkchen den nöthigen Wind zu, wobei bemerkenswerth ist, dass die Windgrade des Haupt- und Nebenmanuals, so wie die des Pedals verschieden sind, welche Verschiedenheit Hr. Walcker durch die Anwendung von Ausgleichsbälgen bewerkstelligt hat. Die Tonfarbe des Nebenmanuals ist dadurch im Vergleich zum Hauptmanual zart und edel, die des Pedals aber frisch und markig geworden. Vereint geben diese verschiedenen Tonfärbungen dem ganzen Werk eine so wohlthuende, edle Tonfülle , eine solche Kraft und Majestät des Tons, daß der Hörer im Innersten seines Gemüthes sich davon erregt und ergriffen fühlt. Als vorzüglich müssen die Zungenwerke bezeichnet werden. Eine Harmonika mit Crescendo und Decrescendo ist in Verbindung mit einer Dolce 8’ von zauberischer Wirkung, während sie im Alleingebrauch dem zarten Schmelz eines Streichquartetts gleicht.
Ebenso ist es Hrn. Walcker gelungen eine Clarinette 8’ mit einschlagenden Zungen zu bauen, deren Toncharakter und Tonfarbe einer natürlichen B.Clarinette täuschen ähnlich ist. Ueberhaupt versteht es Hr. Walcker, die Tonfärbungen einer flöte, Clarinette, eines Fagotts, einer trompete im hohen Grade der Vollendung durch Orgelstimmen nachzuahmen.“

zu den Kegelladen bemerkt Kuhn:
Eine besondere Aufmerksamkeit und Beachtung verdienen die durch Walcker zuerst in Anwendung gebrachten Springladen (alte auch von Walcker geführte Bezeichnung der Kegelladen), durch welche jeder einzelnen Pfeife das ihr zur richtigen Ansprache erforderliche Quantum Wind zugemessen und zugeführt wird. Hierdurch wird nicht nur eine präcise, augenblickliche Ansprache und leichte Spielweise ermöglicht, sondern es wird auch eine Gleichmäßigkeit der Tonqualität, sowie eine leichte und bequeme Registrierung hergestellt. Freilich erfordert die Ausführung solcher Springladen eine Sorgfältigkeit und Pünktlichkeit der Arbeit, die nur selten, wie bei Walcker , zu finden ist.

Opus 825
Dieses Werk von Eberhard Friedrich Walcker wurde schon 1899 von den Söhnen umgebaut, bzw. um ein Manual erweitert (Opus 825). Ins Hauptwerk kam ein Bourdon 16’, die Mixtur logischerweise wurde auf 2 2/3’ mit den Pfeifen der Quinte gesetzt, weil nun Teiltöne des 16’ dort erwartet wurden. Das Pedal wurde um einen Gedecktbass 16’ erweitert. Das ganze Werk wurde auf pneumatisch umgebaut. Entfernt wurden die beiden durchschlagenden Zungen Fagott und Physharmonika. Das dritte Manual wurde nun mit den in Mode gekommenen Registern Aeoline, Voix celeste, Fugara – ins zweite kam noch eine Concertflöte und eine Viola – und damit hatte man die hochromantische Konstellation vom abgeschwächtem Hauptwerk auf dem II.Manual, und das III.Manual als schwellbares Farbwerk mit den schwächsten Stimmen.
Wie Dr. Seip richtig bemerkte, war hier der Werkstil der dritten Walcker-Generation deutlich geworden, wie das bei Umbauten in Ulm, Frankfurt Paulskirche und vielen weiteren Instrumenten des Vaters geschehen war, weswegen wir diese Disposition mustermäßig hier zeigen wollen:

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und hier noch die PDF-Datei, in der alles besser und schöner für den Ausdruck vorbereitet ist:
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Opus 200 Boston, Amerika – Planung 1853- Anmerkungen mit 12 Bildern

Nach der Frankfurter Paulskirchenorgel und der Kathedralorgel in Ulm sollte unbedingt die Konzertsaalorgel Eberhard Friedrich Walckers in Boston0200.pdf als eine zu Ende gedachte Konsequenz herangezogen werden, wenn man über Deutschen Romantischen Orgelbau spricht.
Dabei ist es völlig unerheblich, dass die Orgel, wie sie heute in Methuen steht nur noch zu ca. 25% Pfeifenwerk von EFW hat und von der technischen Anlage der mechanischen Kegelladen mit „Pneumatique“ dürfte absolut nichts mehr da sein.
In meinem Archiv befindet sich noch ein Stück der Zeichnung, und ich habe vor einiger Zeit einmal das Opusbuch sehr subjektiv untersucht und dabei interessante Entdeckungen gemacht.

Noch nachträglich eingefügt das wichtige Werbeblatt von Walcker mit der Dispo und allen Koppeln etc. in sehr hoher Auflösung:
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Außerdem möchte ich ein hochauflösenden Bild der Orgel zeigen, eine Grafik die aber in jedem Falle nicht ganz korrekt die Größenverhältnisse widergibt:
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Anmerkungen zum Opusbuch

Das Opusbuch wurde 1853 geschrieben, wie auch Asperg, der Vorgänger dieses Blogs, das heisst also Walcker hatte zu dieser Zeit bereits über 10 Jahre Lieferzeit.
1. Es beginnt hier das Buch mit dem Grand Bourdon 32′, wie es sich für eine Orgel mit 75 Register gehört. Wenige Jahre nach dieser Niederschrift (1856) erhält EFW vom Bayrischen König anlässlich seiner bei der Ausstellung in München gezeigten 32′ Pfeifen, die man am Kern mit Schraubstellungen verändernd konnte, eine goldene Medaille.
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2. Zu den Materialangaben der Pfeifen sei vermerkt, dass bereits 1852 Walcker Zink verwendete und zwar bei Trompetenbecher. Hier in Boston natürlich wurde nur erlesenes Material verwendet, wir kommen später darauf zurück. Hier nun die Flauta 8′ in Holz mit doppelten Labien und die Viola di Gamba in reinem Zinn. Was auch hier zeigt, wie wichtig der glasklare Klang dieser Stimme Eberhard Friedrich Walcker war.
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3. Die Ophycleiide mit zwei Registerzügen (Bass-Diskant) und einschlagend (durchschlagende Zunge). Auch die Trompete ist in Bass und Diskant getrennt, ich glaube das war auch in Ulm, und die höheren Becher wurden aus Messing gefertigt. Hierzu habe ich eine Zeichnung von Ulm, wo die aufgeworfenen Becher sehr schön aufgezeichnet sind, was bei einem späteren Blog einmal gezeigt wird.
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4. An Principal, Salicional und Dolce werden die drei wichtigen Zinnlegierungen bezeichnet: rein, Probezinn (75%), Metall (Naturguß ca 48-52%) Wir können hieraus schließen, wie der Klang gewünscht war – silbern- hell – rein, eine Idee weicher, flötiger, etwas obertonärmer.
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5. Die Physharmonika – wie schon bei Bossert erläutert – ist bei Eberhard Friedrich Walcker ein ganz wichtiges Schlüsselregister, das der Meister nie versäumt hat genau zu beschreiben, welche Funktion dieses Register hat. Auch hier eine genaue Erläuterung.
Durch Windverminderung oder Vermehrung, an welches sich ein Forte anschliesst, das sich vom leisesten Hauch bis zur vollen Kraft…
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6. Im Pedal steht neben dem Principal 32′ eine Bombarde 32′ einschlagend – auch dieses Mensurenblatt habe ich in meinem Archiv und möchte es gelegentlich auf unserem AeolineBlog vorstellen. Wichtig natürlich sind die späteren Obertöne im Pedal nur sinnvoll, wenn ein richtiger 32′ vorhanden ist.
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7. Hier die Obertöne des Pedals 10 2/3, 6 2/5 und 5 1/3 – die sich auf den 32′ beziehen – und Bemerkung am Rande – der offene Subbaß 16′ der bei Eberhard Friedrich Walcker öfters vorkommt.
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8. Das zweite Pedal ( sicher war von EFW an eine zweipedalige Orgel gedacht) mit einer einschlagenden Zunge, dem Fagott 16′
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9. Rekapitulation – an den Kostenzusammenstellung der Pfeifen der einzelnen Manuale – es handelt sich hierbei tatsächlich auch um eine eigene Dynamik – erkennt man wo die Schwerpunkte waren I.Manual und Pedal, II, III. Manual
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10. Hier in diesem einen der letzten Absätze der Opusbuch-Niederschrift geht EFW wie öfters auf sein Windladensystem ein, das er hier vorschlägt. Das hört sich dann folgendermaßen an.. „bei welchem alle diese Mängel behoben sind, die schon seit Jahrhunderten bei den besten marken beklagt werden. Interessant auch in diesem Abschnitt der Hinweis unter 5. und 6., dass Compensationsbälge, Cylinderblasbälge vorgeschlagen sind, und der Hinweis auf die „Pneumatique“, woraus man schon aus dem Begriff deren französische Herkunft (Barkerhebel Cavaillés) schliessen kann.
An dieser Orgel haben Eberhard Friedrich und seine Söhne umfangreiche Versuche mit der elektrischen Traktur getestet. Hiervon rührte wahrscheinlich der spätere Streit mit den Brüdern, der zum Abgang von Paul Walcker führte, dessen Weg dann nach Frankfurt/Oder zu Sauer geführt hat. Die Erfahrungen jedenfalls an der Bostoner Orgel im Werk in Ludwigsburg waren niederschmetternd, so dass keine Elektrik in die Orgel Eingang fand. Auf einer späteren Weltausstellung (ich glaube es war 1880) hat Weigle eine rein elektrische Orgel vorgestellt, deren Kontakte in kürzester Zeit von Funken zerfressen waren und die Batterien nicht lang hielten – mit Sicherheit vergleichbare Probleme, wie sie Walcker, der ja mit Weigle verwandschaftlich verbunden und befreundet war, bei seinen Versuchen hatte.
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Am Ende noch der Anfang des Opusbuches
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und ein schöner Choral Mendelssohns, den Felix Hell auf der nur noch angedachten Walcker-Orgel in Methuen gespielt hat. Die transparenten Principale, das wäre im Sinne EFW’s gewesen, aber nicht mehr sehr viel von den anderen Stimmen die heute mehr das französische als deutsche Ideal repräsentieren.

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(gwm) 2.Dez.2007

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Op 215 Asperg, Baujahr 1864, – eine Viola di Gamba 8

Nach dem ungeheuren Erlebnis eine wahrhaftige und authentische Walckersche Viola die Gamba in Palmares/Costa Rica gehört zu haben, liess mich der Gedanke nicht mehr los, wo man denn weitere Beschreibungen dazu finden kann.
Neben den Mensuren und Winddrücken, die zu der damaligen Zeit üblich waren, beschäftigte mich vor allem die Idee, doch verbale Hinweise von Orgelbauern aus der damaligen Zeit zu bekommen. Und was ist da schöner und bedeutender als eine direkte Aussage vom grundlegenden Orgelbauer der Orgelromantik, von Eberhard Friedrich Walcker. Hier fand ich eine aufschlussreiche Beschreibung in einem der ersten Opusbücher:

Walcker-Orgel Asperg, Op. 215
Opusbuch, S. 152f.
Asperg
Aus Auftrag des verehrten Kirchenvorstandes giebt der Unterzeichnete hiemit eine den örtlichen & akustischen Verhältnissen angemessene Disposition über die Erbauung einer neuen Kirchenorgel & zwar 1tens wie sie in Beziehung auf den kubischen Raum der Kirche & die Seelenzahl der Kirche-Besuchenden proportionirt & regelrichtig zusammengestellt & 2tens wie sie in Rücksicht auf die mir besonders empfohlenen ökonomischen Verhältnisse nothdürftig & also nach seinem äußersten Minimum auszuführen erforderlich ist.
Disposition No. 1 wie sie nicht nur genau den kubischen & akustischen Verhältnissen & Kirche & Kirch Gemeinde, sondern wie sie auch den musikalischen & kunstgemäsen Fortschritten unseres Zeitalters angemessen ist, erfordert seinem Umfange nach 14 kl. Stimmen, die der würdigen Abwechslung & der passenden Modulation wegen auf 2 Klaviere & Pedal vertheilt werden sollten. Ein Muster hiervon besitzt bereits die ungleich kleinere Nachbargemeinde Eglosheim & Kornwestheim hinter welcher die Gemeinde Asperg wenigstens nicht zurück bleiben sollte.

I. Man.
1. Prinzipal 8’ von engl. Zinn in die Fronte gestellt, von kräftig & sonorem Tone fein polirt
Hiebei könnte man wohl auch als Surrogat, [S. 2] die untere Octave v. Holz angewendet & dadurch etwa f. 100 erspart werden, was indeß der akustischen Verhältnisse wegen, da die Orgel im Chore placirt werden muß, hier weniger zu empfehlen ist, indem Holztöne auch auf die kunstgemäßeste Art ausgeführt, sich immer weniger von den Singstimmen destinguiren, was einzig nur durch eine zinnerne Normalstimme erreicht werden kann.
2. Viola di Gamba 8 v. engl. Zinn
diese Stimme imitirt in Verbindung mit Gedekt 8’ ein wahres Baßethorn, wobey noch der besondere Vorzug, daß sich die Stimmung gleich andere Labialstimmen rein erhält, während eigentliche Zungenstimmen eine 10mal kostspieligere Unterhaltung kosten.
3. Gedekt 8 voll & prompt ansprechend
4. Floete 8’ v. Holz offen, kräftig & weich
5. Octav 4 als Diapason vom Principal Stimmregal
6. Octav 2 zum vollständigen Octavsatz gehörig
7. Mixtur 4fach 22/3 so construirt, daß sie beim vollen Werke die Energie der Zungen Werke ersetzt.
II. Man.
8. Salicional 8 sanft klingend
9. Gedekt 8 voll & klar
10. Floete 4 v. Holz
11. Flautino als Octav Diapason v. No 10

Pedal
12. Sub Baß 16 v. H. ged.
13. Violon 16
14. Octav Baß 8

Die originalen Aufzeichnungen lege ich hiermit ebenfalls dem Blog bei:
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hier wurde noch nachträglich die Viol di Gambe 8 aus der EFW-Walcker-Orgel in Hoffenheim als mp3 hochgeladen.
violdigamb.mp3

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Opus 239 Eßweiler – neu entdeckt

Ein schöner Zufall brachte mir die noch vollständig erhaltene Eberhard Friedrich Walcker Orgel gleich in zweifacher Ausfertigung entgegen. Einmal haben wir vor einiger Zeit diese Zeichnungen in hoher Auflösung eingescannt und zum Zweiten gibt es auf dem Internet eine Seite der Gemeinde Eßweiler, die ein Bild der Orgel zeigt. Natürlich ist diese Orgel auch in Pfarrer Bonkhoffs Buch „Orgeln der Pfalz“ o.ä. enthalten.
Das Instrument hat mechanische Kegelladen und ist vollständig mit 9 Registern erhalten.
Die Zeichnung ist mit über 550 kByte sehr hoch auflösend (für Details doppelt clicken):
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Ein sehr schönes Beispiel der letzten Tage des „wuerttembergischen Fußes“, der ja Eberhard Friedrich Walcker sein ganzes Leben begleitet hat. Wir sehen auf der Zeichnung sowohl Fuß als auch Meter, der hier noch mit „métre“ bezeichnet ist – also seine französische Abkunft klar benannt ist. Ab 1872 ist dann, sehr symbolisch mit dem Tode Eberhard Friedrich Walckers verknüpft, das Ende des Fußmaßes in der Handelswelt Mitteleuropas mit der Deutschen Reichgründung beschlossen. Aber, auch das wieder ein symbolischer Fingerzeig, im Orgelbau lebt dieses Maß noch heute fort.

(gwm)

hierzu noch die Anmerkungen den „Fuß“ und den „Chorton“ betreffend
1885 wurde der Kammerton auf a’=435 Hz festgelegt. Vorher galt der Kammerton 432 Hz. Gleichzeitig galt vor 1885 der Chorton, der rund einen Ganzton tiefer als der Kammerton liegt also bei g’=432Hz. Der Chorton war für geistliche Musik, der Kammerton für weltliche Musik bestimmt. Mit dem Chorton war eine Pfeife oder Flöte auf 4 Stellen genau (bei 18 Grad Celsius) der römische Fuß konserviert (518,289mm). Damit ist bewiesen, dass die Kirchenmusik unbewusst eine Maßtradition bewahrte, die ja bis zu den Ägyptern zurückreicht und somit über 4500 Jahre alt ist. Entscheidend ist, dass die gesamt Musik-Maßtheorie, unter anderem von Phytagoras als Verknüpfung der Welt von Maß- und Ton in seinen esoterischen Lehren behandelt, genau ab 1872 (Fuß) und 1885 (Kammerton) sich von dieser Tradition löst, um einem seelenlosem Nützlichkeits-Maßsystem Platz zu machen, das reine materialistische Gesichtspunkte in den Vordergrund schob (bessere Produktivität). Nach diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich von „Proportion“ im klassischen Sinne zu reden, da alle entsprechenden Maßstäbe verloren gegangen sind. Also nicht mehr der Mensch und die Musik das Maß der Dinge bestimmten. Messen war also früher einmal „hören“. Wenn wir sagen „das stimmt“, sagen wir auch, „wir hören, dass es richtig ist!“, also, „wir haben mit dem Ohr vermessen“. Dieses verlustig gegangene Maß, hat m.M. sehr viele Menschen bis heute irritiert, weil sie mit dem falschen „Meter“ versucht haben Dinge zu messen, oder zu begreifen, die nur mit den traditionellen Maßen (oder aus antiker Perspektive heraus) zu verstehen waren. (gwm) (Quellen: Körte 1972- Schabus 1886 – Rottländer 1979 – Lepsius 1884 – Grassmann 1865 – Unger 1916 – Walcker-Mayer – 1968 Aquincum)
Anmerkung und Ergänzung: eine wichtige Erkenntnis ist, dass um 2200 v.Chr. die Ägypter die Teilung der Elle von 30 auf 28 digiti (jawohl, damals schon hat man digital gedacht (digit=Finger)) änderte und somit ein vorheriges System beseitigt. Römischer Fuß und Elle sind durch dieses System masslich verbunden. Das alles ist unheimlich kompliziert. Umfassend und perfekt dargestellt von Rottländer, von dem ich durch sein Buch inspiriert wurde.

Man muss sich allerdings davor hüten jene Zeit ab 1872 im Sinne einer „modernistischen Verfalls- oder Untergangszeit“ abzuqualifizieren. Denn gerade hier machen sich die Bestrebungen der „Romantik“ bemerkbar, die um 1790 bis 1820 in den deutschsprächigen Ländern begonnen hatten gegen die festgefahrenen „klassischen“ Wertvorstellungen neue dynamische Konzepte, in Weiterführung der Aufklärung, einzubringen. Das „antike Maß“, das mit allen Konsequenzen mit Einführung des „métre“ im deutschsprachigen Raum im Jahre 1872 beseitigt wird, erhält durchaus einen romantischen Anspruch, der mit „Unendlichkeit“, „Relativität“ und „Internationalität“ begründet war. Ein Orgelbauer Eberhard Friedrich Walcker, der diese Ansprüche in seinen großen Orgelwerken zum Ausdruck brachte, hätte von dieser Warte aus sicher nichts gegen die Einführung des Meter gehabt.

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Frankfurt Paulskirche – Mythos und Facts II.Teil

Eberhard Friedrich Walcker zum 213.ten Geburtstag

Und zwar wollen wir heute eine Geschichte aus der Zeitschrift „Daheim“ aus dem Jahre 1869 berichten. Es war hier ein Herr Karl Friedrich Klaiber, der im Jahre 1868 Eberhard Friedrich Walcker in der Ludwigsburger Werkstätte besuchte und interessante Details der Werkstatt und des technischen Orgelaufbaus vermeldete.

Am Ende des Artikels haben wir rund 1-2 Seiten Originaltext Eberhard Friedrich Walcker – und hieraus sind besonders seine Anmerkungen zur Frankfurter Paulskirchenorgel von Bedeutung.

(der komplette Artikel wird in der nächsten Folge als Original in 4 jpg-Dateien hier upgeloaded)

Hier Auszug in heutiger Rechtschreibung

(…) Doch treten wir in die Werkstätte – in der Tat eine Reihe von Werkstätten – selbst ein, so lernen wir an dem Meister einen freundlichen, beim ersten Anblick durch den Ausdruck schlichter Einfachheit gewinnenden Greis von 74 Jahren ( er ist geboren in Cannstatt den 3.Juli 1794) kennen. Gestattet es seine Zeit, so wird er selbst auf die liebenswürdigste Weise unsern Führer machen und nicht ermüden, einem verständigen und wissbegierigen Besucher die wichtigsten Elemente des Orgelbaues deutlich zu machen, von den mehr äußerlich technischen Arbeiten bis zu den zarten musikalischen Feinheiten, Vorteilen und teilweisen- wenigstens für und – Geheimnissen. Dabei werden wir erfahren, dass es fast keinen Teil des Orgelmechanismus oder seiner Verfertigung gibt, der nicht durch Walcker eine Verbesserung, zum Teil eine völlige Umwandlung erfahren hätte.

Sogleich in dem einen Teil. der Werkstätte, der weder ideal aussieht, noch für das Ohr sich mit seinem Sägen, Hobeln, Hämmern, musikalisch vernehmen lässt, – in der Schreinerei treffen wir wesentliche Verbesserungen in der Konstruktion der Blasbälge. Der Meister belehrt uns über die zwei gebräuchlichen Arten von Blasbälgen, die sogenannten Faltenbälge und Kastenbälge. Beide Arten sind von Walcker vorzugsweise von dem Gesichtspunkt aus umgewandelt worden, dass durch einen gleichmäßigeren Gang des Blasbalges auch ein gleichmäßiger Zuzug des Windes zu den Orgelpfeifen – eine begreiflicherweise für den Toneffekt höchst wichtige Sache – hervorgebracht wird. Diese beiden verbesserten Arten werden von Walcker nach Umständen angewendet. Meistens gibt er den von ihm verbesserten Kastenbälgen, von ihm Stöpselbälge genannt, den Vorzug wegen ihrer Einfachheit, Dauer, gleichmäßigen Gangs und geringeren Raumumfangs. Es ist ihm aber mehrmals bei dieser Verbesserung, wie bei anderen begegnet, dass er sie bei dem Bau einer Orgel zwar anbringen wollte, aber nicht durfte. Denn die Besteller glaubten, als die Bezahler, in mehr als einem Falle die Sache besser zu verstehen als der Meister und verlangten hartnäckig die alten Einrichtungen.

Anderswo finden wir Arbeiter damit beschäftigt, aus ausgewählten, abgelagerten Holze kurze und lange, enge und weite Pfeifen mit mathematische genauer Einhaltung der Dimensionen nach Länge und Weite zu fertigen.

(…) Eine besondere Art bilden die Zungenpfeifen, bei welchen im Mundstücke eine metallene Zunge eingefügt ist, deren durch den eingeblasenen Wind herbeigeführte Bewegung dem Tone seine Eigentümlichkeit verleiht. Es wird uns gezeigt, wie es zwei Gattungen derselben gibt, mit aufschlagenden Zunge und mit freischwingender Zunge; die letztere Gattung ist durch Walcker in den Orgelbau eingeführt worden. Bekannt ist, wie durch eigentümliche Konstruktionen der Pfeifen die Tonart verschiedener musikalischer Instrumente in großer Mannigfaltigkeit, die Flöte, die Trompete, die Posaune , die Clarinette, das Violon und andere nachgeahmt werden und wie durch deren Mannigfaltigkeit und ihre Verbindungen und Abwechslungen beim Orgelspiel der Musiker in Stand gesetzt ist, die erhabensten und feierlichsten, wie die zartesten und lieblichsten Toneffekte hervorzubringen – geeignet das eine Mal zu selbstständiger Orgelmusik, das andere Mal zu Begleitung des Gesangs in der reichsten Variation.

(…) Es sind die von ihm erfundenen sogenannten Springwindladen mit Kegelventilen, eine Einrichtung welche er zuerst bei einer für das nördliche Russland bestimmten Orgel anwendete.

(…) Es ist schon der Mühe wert, das Regierwerk einer kleineren Orgel anzusehen. Noch interessanter freilich ist es m aus dem Munde des Meisters sich über die Vorrichtungen belehren zu lassen, die er an seinen großen Werken getroffen hat. Bei der großen Orgel im Münster von Ulm von hundert klingenden Registern sind es vier Manuale und zwei Pedale mit den verschiedensten Vorrichtungen für Anschwellung und Kollektivzüge, teils fürs ganze Werk, teils für einzelne Stimmen und Klaviere, die ich vermittels derselben vom leisesten Hauche bis zur vollen Stärke des ganzen Crescendo anschwellen und es ebenso wieder verschwinden machen lassen. Jedes dieser Manuale ist mit einer sogenannten Pneumatik versehen, das heißt vor jedem Ventil befindet sich ein kleines Blasebälgchen.

Originalzitate Eberhard Friedrich Walcker :

(…) zu Orgel Boston 1862 : Das Gebläse wird bei diesem Werk durch ein e kleine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt, deren Tätigkeit sich selbst nach dem jeweiligen Windverbrauch reguliert und so das Werk auf die zuverlässigste, ruhigste und gleichmäßigste Weise mit Wind versieht.

(…) Ich wurde zwanzig Jahre alt, bis ich die erste neue Orgel in der Werkstätte meines Vaters durfte bauen helfen. Doch fand ich eine besondere Förderung in meinem Fache durch den bekannten Abbé Vogler. Dieser kam auf seinen Kunstreisen auch nach Cannstatt und ließ sich dort, wie er auch sonst pflegte, für seine Produktionen die Orgelpfeifen nach seinem besonderen, sogenannten Simplificationssystem – gegründet auf die genaueste physikalische Grundlage – zusammenstellen, wodurch er eine bis dahin unbekannte Fülle, Wohllaut, Kräftigkeit und Harmonie des Orgelspiels erreichte. Ich selbst wurde von Vogler beigezogen, und es gelang mir schon damals, durch Vogler geleitet und aufmerksam gemacht auf die mathematisch-physikalische Basis des gesamten Tonsystems, zu seiner Zufriedenheit eine reinere, harmonischere und kräftigere Intonation der Orgelpfeifen herzustellen, als bisher gewöhnlich war. Im Jahre 1821 gründete ich mein eigenes Geschäft hier in Ludwigsburg. Ich musste klein anfangen und hatte lange schwere Zeit. Endlich wurde die Mühe, die ich auf das Studium der Theorie des Orgelbaus gewendet, belohnt, als ich in den Jahren 1829-33 meine erste große Orgel bauen durfte.

Die Stadt Frankfurt am Main hatte für die dortige Paulskirche eine Konkurrenz für die Erbauung einer neuen Orgel ausgeschrieben. Nicht weniger als 34 Orgelbauer beteiligten sich dabei. Ich selbst wollte anfangs nicht, weil mir kaum das zur Fertigung eines so großen Werkes nötige Kapital zu Gebot stand. Erst auf mehrfache Aufforderung entschloss ich mich zur Bewerbung. Es dauerte aber drei Jahre, bis ich mit der Baukomission ins Reine kam. Meine eingesendete Registerdisposition, bei welcher ich einerseits dem Voglerschen System folgte, andererseits dem Instrument den der Größe der Kirche entsprechenden großartigen Toncharakter zu geben suchte, zog zwar die Aufmerksamkeit der Baukomission auf sich, insbesondere zweier Mitglieder derselben, des Hofrats Andree von Offenbach und Herrn Schnyder von Warthensee, damals in Frankfurt. Die Konkurrenten aber erhoben eine Menge Einwendungen und Streitfragen,insbesondere gegen das Voglersche System. Die Widerlegung wurde mir zwar nicht schwer; gleichwohl scheiterte ich fast noch zuletzt, als ich den Abschluss des Akkords sicher glaubte, und später bei der Ausführung. Ich hatte nämlich in meinen Plan ein offenes 32 füßiges Bassregister aufgenommen, d.h. ein Register von offenen Holzpfeifen, deren größte 32 Fuß Länge haben und die tiefsten Basstöne bis zum Contra C hervorbringen sollte. Aber gerade dagegen sträubte sich die Baukomission. Hofrath Andree fragte mich, ob dieses Register zum Gebrauch oder zur Dekoration proponiert sei? Ich antwortete, ob er mich für einen Schwindler halte? Ich wolle dieses Register zum Spielen und Hören, nicht zum Beschauen bauen. Andree meinte weiter, er habe zwar die berühmtesten Bässe wohl gesehen, aber nie gehört; keiner habe einen deutlichen, vernehmlichen, musikalischen Ton von sich gegeben und er, Andree, halte solche Tontiefe überhaupt für ein musikalisches Unding und solchen Bass für einen bloßen Windfresser; die Kommission gebe einen recht gesunden, deutliche, 16 füßigen Basse bei weitem den Vorzug.

(Fortsetzung folgt)

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Frankfurt Paulskirche – Mythos und Facts

I.Teil einer geplanten Serie

Die Eberhard Friedrich Walcker-Orgel der Frankfurter Paulskirchenorgel, gebaut 1827-1833 mit 74 Registern auf drei Manualen und zwei Pedalen stellt durch die gewaltigen Neuerungen in Disposition und Pfeifenwerkgestaltung einen Mythos dar, der durch den Umbau im Jahre 1899 und die Zerstörung im II.Weltkrieg reichlich genährt wurde.

Diese Orgel, ein Grundstein des romantischen Orgelbaus in Deutschland, wollen wir wieder mit neuem Feuer beleben. Das Instrument, das seit seiner ersten Planung im Jahre 1825 bis heute immer wieder neu die Gemüter erhitzt hat, dieses Instrument strahlt eine unheimliche Wärme und Faszination aus, allein wenn man die Disposition liest.

Der nachfolgende Beitrag enthält neben dieser Disposition erste und wichtige Mensurangaben zu dieser Orgel. Ich denke, dass wir mit weiteren zwei, drei Artikeln alles Wesentliche über diese Orgel – und Pfeifengestaltung gesagt haben werden. Außerdem sind Bilder aus den Mensurblättern enthalten

Alle wichtigen Mensur-Unterlagen aus dieser Orgel liegen in unserem Archiv vor, so dass wir also umfangreiche Untersuchungen hier zeigen können.

(gwm) 30.6.07 hier also : frankfurt_paul01.pdf

Hier noch zwei, drei Ergänzungen zur Sache, die historische Randnotizen sind. Ein Brief von Prof. Helmut Walcha aus dem Jahre 1947 an Dr. Oscar Walcker und die daraus resultierende Disposition. Man soll also sehen wie „ORGELVERFALL“ tatsächlich vor sich geht. Denn diese Disposition verglichen mit der Eberhard Friedrich Walckers – einfach erschütternd.

brf-walcha.JPG dispo1.JPG dispo2.JPG frankfurt-paulskirche-innen03.jpg bild02.JPG bild01.JPG

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Kegel Opus 35 (39)

Diese Orgel, die weitgehend erhalten ist, wurde 1841 mit Schleif- und Kegelladen gebaut. Lt. Auskunft eines ansässigen Orgelbauers sind die Pedalladen mit drei Registern in Kegelladen gemacht. In jedem Fall die erste Orgel wahrscheinlich weltweit, die in Deutschland gefertigt und im Ausland aufgestellt wurde mit jenem Windladensystem. Interessant an dieser Orgel ist aber auch, dass Eberhard Friedrich diesen Prospekt als Vorlage für einen reich verzierten Orgelprospekt für seinen Briefkopf verwendete. Diese Grafik wurde allerdings, wie man an div. Einzelheiten sieht nicht von einem Orgelbauer gemacht.

Eine weitere Besonderheit am Briefkopf: noch lange läßt Eberhard Friedrich Walcker, der immer mit „Walcker“ unterschreibt, bei Drucksachen die Schreibweise „Walker“ gelten.

briefkopf2.JPG


Dispo 1841: Manual P8, ViolG8, Ged8, Dolce8, Rohrfl8,Sptzfl8, Mix3f,Oc2

Ped: Sub16, Violb16, Octb8

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