Schon zu Zeiten der Gründung der Musikhalle zu Boston hegte man den Wunsch nach Beschaffung eines geeigneten Orgelwerkes, ohne welches der reine Architekturcharakter und die vortrefflichen akustischen Eigenschaften der Halle nie voll und ganz zur Geltung gebracht werden konnten, und es war gelegentlich der Jahresversammlung der Music Hall Association“ im Jahre 1856, als der Plan zum Bau einer Monumentalorgel gefaßt wurde. Nachdem teils durch öffentliche, teils durch private Ausschreibung die Summe von $ 60000. zusammengebracht war, wurde Dr. Upham im Oktober 1856 ermächtigt, zwecks Studiums der Orgelfrage in das Ausland zu gehen. Zugleich erhielt er Vollmacht, den Bau der Orgel zu vergeben.
Er ging zunächst nach England, wo er die Bekanntschaft des Herrn E. J. Hopkins, später Dr. Hopkins, machte, welcher von vielen als der Vater der englischen Organisten“ bezeichnet wurde. Mit Hilfe von Dr. Hopkins vervollständigte er seine orgelbautechnischen Kenntnisse und suchte mit ihm viele der besten Orgelwerke Londons auf, sowie auch die Orgelbauanstalten von Hill, Gray und Davidson, Willis, Robeson und anderen namhaften, englischen Orgelbauern. Von London ging Dr. Upham nach Holland, wo er die berühmten Orgelwerke in Haarlem, Amster¬dam und Rotterdam besichtigte. Nachdem er noch der Orgel¬bauanstalt in Utrecht einen Besuch abgestattet hatte, kam er nach Deutschland. Sowohl in Utrecht als auch in Köln erhielt er Pläne und Dispositionen von Orgeln. In Frank¬furt a. M. und Stuttgart lernte er die Instrumente der Firma Walcker & Cie. kennen und besonders erweckte die große Orgel im Münster zu Ulm sein Interesse. In Frankfurt a. M. hielt er sich sodann längere Zeit auf und prüfte die Dis¬positionen, welche er während seiner Reise erhalten hatte.
Bei der Auswahl unter den zahlreichen Firmen kamen in erster Linie die Orgelbauanstalten von Schulze, Ladegast und Walcker in Berücksichtigung. Nachdem er eine dritte Disposition mit einigen Hinzufügungen und Abänderungen von der Firma Walcker erhalten hatte, entschloß er sich für diese Orgelbauanstalt, unter der Bedingung, daß ihn Herr Walcker nach Paris begleite, um nach Besichtigung der fran¬zösischen Orgelwerke die Vorteile auch dieser Instrumente der neuen Orgel zugute kommen lassen. Dr. Upham und Eberhard Friedrich Walcker blieben dann zwei Wochen in London mit Dr. Hopkins, wo sie die Spezifikation für die Orgel weiter eingehend studierten und vervollkommneten. In einem mehr als 40 Seiten starken Dokument wurde der Kontrakt sowohl in englischer wie in deutscher Sprache niedergelegt, unter¬zeichnet und mit gerichtlichem Stempel beglaubigt.
Nachdem nahezu 5 Jahre über die Vorbereitungen zu der Orgel vergangen waren, wurde mit der Herstellung des Instrumentes in der Ludwigsburger Fabrik angefangen, und am 16. August 1862 wurde die fertige Orgel von der Kommission für genehmigt erklärt. Hierauf wurde die Orgel abgebrochen, verpackt und durch die Brigg PRESTO“ nach Amerika verschifft. Nach einer stürmischen Seereise von nahezu 3 Monaten wurde das Schiff im Hafen von Boston gesichtet und am Tage darauf meldeten die Zeitungen das Eintreffen des Instrumentes.
Durch die persönliche Vermittlung des Richters Putnam, Washington, wurde die Orgel zollfrei eingeführt.
Während der nächsten 7 Monate war man mit der Auf¬stellung der Orgel in der Musikhalle beschäftigt und am Sonnabend, den 31. Oktober 1863, geschah die feierliche Uebernahme des Werkes von dem Komitee in Gegenwart der leitenden Persönlichkeiten der Stadt und einer Anzahl geladener Gäste. Mehrere der Herren vom Komitee, der Sohn des Erbauers der Orgel, Herr Fritz Walcker, und der Bauleiter waren anwesend. Um 8 Uhr hörte man zum ersten ¬mal die Klänge der großen Orgel, die vollständig von einem grünen Gazevorhang, der vom Fußboden bis zur Decke reichte, eingeschlossen war. Die leise anschwellenden Töne der Orgel nahmen die Hörer in solchem Maße gefangen, daß das abgedämpfte Licht im Orgelraum, welches wie ein Schleier über die ganze Szene ausgebreitet schien, kaum auffiel. Das Spiel dauerte ungefähr 20 Minuten, als plötzlich alle Lichter aufflammten und der riesige Vorhang langsam zu fallen begann. Kein Laut unterbrach den Zauber des Augenblicks. Aller Augen richteten sich auf das sich lang¬sam entschleiernde Werk, bis es sich in seiner ganzen Pracht den Blicken darbot. Die Zuschauer erhoben sich und tosender Beifall bekundete den erhebenden Augenblick. Nach¬dem ein dreimaliges Hoch von Dr. Upham ausgebracht war, spielte Herr George W. Morgan, Organist der Grace Church in New York die Ouvertüre von Wilhelm Tell. Dann hielt Herr Dr. Upham als Vorsitzender des Komitees eine längere Ansprache, in der er am Schlusse die Orgel den Aktien¬besitzern und den Subskribenten in aller Form übergab. Herr Dr. Upham führte, nachdem er einen kurzen historischen Bericht gegeben hatte u. a. folgendes aus: Der Besitz des Instrumentes ist als ein Vermächtnis seitens der Subskri¬benten für die Music Hall Association“ anzusehen, das so lange in Kraft bleibt, als die Halle ihren Originalcharakter bewahrt. Für den Fall, daß das Gebäude jemals verkauft, oder für andere Zwecke verwendet werden sollte, wird die Orgel entfernt werden, bis ein anderer würdiger Ort zu ihrer Aufnahme gefunden ist. So steht die Orgel denn hier, wie sie stehen sollte, als ein Wächter von nicht geringerer Größe für unsere privilegierten Rechte und gleichzeitig als eine Vorbedeutung auf die Entwicklung hoher Kunst für spätere Jahre.“ Nach Schluß von Dr. Upham’s Ansprache kam ein auserwähltes Musikprogramm zur Ausführung.
Am folgenden Montag Abend, den 2. November 1863 wurde das Publikum zur formellen Einweihung der Orgel zugelassen. Die Halle war angefüllt mit einer glänzenden Versammlung und die Orgel wurde wie am vergangenen Samstag, wiederum mit einem Vorhang umgeben. Nach einem kurzen, leisen Präludium, welches sich im Gemurmel der Menge fast verlor, rezitierte Fräulein Charlotte Cush¬man eine Einweihungs – Ode, die anonym von einer Dame in Boston gestiftet war.
Zum Schluß spielte Herr Walcker einige Akkorde, während der Vorhang langsam niedergelassen wurde. Diese aber¬malige Enthüllung der Orgel fand einen triumphartigen Applaus.
Hier einige relativ hoch aufgelöste Bilder:
siehe hierzu auch: unseren Blog
hier ein einzigartiges Dokument: Zeitung aus 1863 zu den Einweihungsfeierlichkeiten:
und hier noch eine der letzten Dispositionsabschriften, aus der man erkennen kann, dass noch rund 40 Register aus Walcker-Beständen stammen: